Eymann: "Die Gesellschaft muss die Leistung unserer Lehrer stärker anerkennen", Bild: Sonntagszeitung
"Lösungen dürfen nicht von den Kantonsfinanzen abhängig gemacht werden", Sonntagszeitung, 26.10. von Fabian Eberhard
Herr Eymann, ein Drittel der Volksschullehrer fühlt
sich ausgebrannt. Fehlt unseren Pädagogen die nötige Stressresistenz?
Das lässt sich so
nicht sagen. Vielen Lehrern geht es gut. Tatsache ist aber auch, dass sich zu
viele von ihnen erschöpft und überfordert fühlen.
Und das, obwohl sie gut verdienen und mehr Ferien als
alle anderen Arbeitnehmer haben. Ist das nicht ein Jammern auf hohem Niveau?
Ich empfinde Lehrer
nicht als jammernd. Der Beruf ist anstrengend und anspruchsvoll.
Welche Probleme belasten die Lehrer am meisten?
Konflikte mit Eltern,
Störungen im Unterricht und Leistungsdruck laugen wohl am stärksten aus.
Ist der Beruf stressiger geworden?
Ja. Der Druck ist
gestiegen. Viele Lehrer sind heute emotional so stark belastet, dass dies
negative Auswirkungen auf den Berufsalltag und damit die Schüler haben kann.
Lehrer müssen Kinder gern haben. Geht diese Voraussetzung verloren, alarmiert
mich das.
Haben die zuständigen Behörden bis jetzt geschlafen
und das Problem ignoriert?
Nein. Die Bedürfnisse
unserer Gesellschaft wandeln sich. Das kann zu stärkerer Beanspruchung in einem
Beruf führen. Wichtiger, als zu versuchen, Schuldige zu finden, ist mir die
Suche nach Verbesserungen.
Was schlagen Sie vor?
Die Gesellschaft muss
die Leistung unserer Lehrer stärker anerkennen. In allen Gemeinden der Schweiz
findet jeden Tag Schule statt, auch unter schwierigen Bedingungen. Der Erfolg
des Unterrichts ist da, das zeigen auch internationale Vergleiche.
Das tönt zwar gut, dürfte den Lehrern konkret aber
wenig helfen.
Es gibt kein
Breitbandantibiotikum, das alle negativen Erscheinungen subito und auf einen
Schlag heilt.
Wo müsste man ansetzen?
Wir müssen in den
Beruf investieren und die Prävention stärken. Zentral ist auch, dass die
Schulleitungen aufmerksam sind und ein tragfähiges Kollegium besteht – das gibt
Halt.
Wie kann die Politik die Gesundheit der Lehrer
fördern?
Hier sind die Kantone
und Gemeinden gefordert. Ich bin aber überzeugt, , dass meine Kollegen im
Rahmen ihrer Möglichkeiten gute Arbeitsbedingungen für die Lehrer wollen und
sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Klar ist: Lösungsansätze dürfen nicht
ausschliesslich vom Zustand der Kantonsfinanzen abhängig gemacht werden.
Braucht es mehr Geld?
Das liegt nicht in
der Kompetenz der EDK. In Basel-Stadt haben wir mehr Geld in die Hand genommen
und bieten unter anderem kostenlose psychologische Beratungen an.
Der neue Lehrplan 21 regelt auf Hunderten Seiten
zahlreiche Kompetenzen, die der Lehrer seinen Schülern beibringen muss. Wird
das den Stress noch verschlimmern?
Im Gegenteil. Der
neue Lehrplan soll Sicherheit bieten und beruhigen. Die darin geforderten
Kompetenzen werden die einzelnen Unterrichtsstunden nicht wesentlich verändern.
Anders ausgedrückt: Wie viele Male pro Woche schaut heute ein Lehrer oder eine
Lehrerin in den geltenden Lehrplan? Ich bin mir sicher, dass sich rasch eine
Gewohnheit einstellen wird.
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