Immer
wieder wird nach mehr Digitalisierung in den Schulen gerufen. Wir sind auf
einem guten Weg dorthin. Nur sollten wir nicht vergessen, dass Digitalisierung
kein Selbstzweck ist, sondern lediglich ein weiteres Mittel, um Lernziele
besser zu erreichen. Orientieren muss sie sich am praktischen Nutzen.
Digitalisierung in der Schule: Nur ein Mittel zum Zweck, NZZ, 7.3. von Dirk Vaihinger und Nicolas Brandenberg
In der
Volksschule verbreitet sich der Zugang zu digitalen Arbeitsmitteln zügig. Immer
mehr Primarschulklassen werden mit Tablets ausgerüstet. Während deren Verwendung
für manche Menschen nicht umfassend genug sein kann, tun sich andere schwer mit
der Digitalisierung im Klassenzimmer und vermuten schon im Einsatz des Beamers
einen fragwürdigen Einfluss auf die kognitive Entwicklung der Zöglinge. Während
es für die einen ausgemachte Sache ist, dass über kurz oder lang der gesamte
Schulstoff über digitale Endgeräte vermittelt wird, feiern andere das
Offline-Sein als neuen Weg zur Erleuchtung.
Game-Regeln
Zu den
unterschiedlichen Haltungen gegenüber der Schule kommen die Diskussionen in den
Familien. Viele Eltern streiten sich mit ihren Kindern über Handy-Zeiten und
Game-Regeln und fürchten nun, ihre Sprösslinge würden jetzt auch im Unterricht
unentwegt aufs Tablet starren und noch früher in die «pathologische Bildschirmfixierung» geführt (NZZ
30. 1. 19).
In dieser
Gemengelage sollten wir daran erinnern, dass digitale Lehrmittelteile nur dort
im Unterricht eingesetzt werden sollen, wo sie sinnvoll sind. Im Kanton Zürich
wird den Schulen dazu ein ICT-Guide zur Verfügung gestellt. Digitale Anteile
werden heute bei der Lehrmittelentwicklung von Anfang an mitgedacht – dabei
wird das Gedruckte nicht einfach digital wiederholt, sondern das Potenzial des
Mediums dort genutzt, wo es seinen didaktischen Zweck hat. Mathematische
Grundfertigkeiten können etwa gut mit interaktiven Übungen auf dem individuell
passenden Niveau trainiert werden. Dagegen werden geometrische Konstruktionen
besser erst mit Stift und Papier eingeführt.
Die
Medienkonvergenz, also das Zusammenwachsen verschiedener Medien, erleichtert im
Schulalltag allen Beteiligten das Leben. Wo früher gemeinsam Dialogen ab CD
gelauscht wurde, können heute die Lernenden Film- und Tondokumente direkt bei
einer Aufgabe abspielen, und zwar in selbstgewähltem Tempo. Bei zahlreichen
digitalen Lehrmitteln lässt sich zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen
einer Aufgabe nahtlos hin und her wechseln. Adaptive Lernfördersysteme
reagieren sogar auf den Lernstand und erhöhen oder senken laufend die
Anforderungen, abgestimmt auf die individuellen Lernfortschritte. Modular
aufgebaute Lehrmittel ermöglichen Verzweigungen, um einzelne Aspekte zu
vertiefen, zu wiederholen oder auszuweiten. Vorlagen lassen sich individuell
bearbeiten, und Lehrpersonen können so ihre jeweiligen Unterrichtswünsche
einbringen.
Korrekturen
und Ergänzungen werden laufend eingespielt, und Schulen können immer die
aktuellste Ausgabe nutzen. Früher waren manche Handbücher für Lehrpersonen
schwere Bundesordner – digital werden sie als eigenständige interaktive
Angebote umgesetzt oder, etwa in Französisch, direkt in die Lehrmittel
integriert, allzeit und von überall her griffbereit.
Dynamische
Entwicklung
Die
Entwicklung der Lehrmittel bleibt dabei dynamisch. Neue Anforderungen und
Bedürfnisse werden laufend gesammelt, zusammen mit Lehrpersonen und der
Fachdidaktik entwickelt und abgestützt. Dabei wird auch der kantonale
Datenschützer einbezogen, denn selbstredend sind die Daten von Schülerinnen und
Schülern sorgfältig zu behandeln. Der Umgang damit ist im Übrigen eins der
Themen im neuen Modul Medien und Informatik. Dort wird den Kindern vermittelt,
was Informatik ist, wie Medien wirken und wie sie genutzt werden können.
Neue
Medien verändern die Arbeitsweisen und die Wahrnehmung, das gilt natürlich auch
für die digitalen Anwendungen in den Schulen. Didaktisch sinnvoll eingesetzt,
sind sie in erster Linie eine enorm praktische und entlastende Unterstützung
des Unterrichts.
Dirk
Vaihinger leitet
die Redaktion und Nicolas Brandenberg die Abteilung Digitale Medien im
Lehrmittelverlag Zürich.
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