7. März 2019

Digital nur dort, wo es sinnvoll ist


Immer wieder wird nach mehr Digitalisierung in den Schulen gerufen. Wir sind auf einem guten Weg dorthin. Nur sollten wir nicht vergessen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, sondern lediglich ein weiteres Mittel, um Lernziele besser zu erreichen. Orientieren muss sie sich am praktischen Nutzen.
Digitalisierung in der Schule: Nur ein Mittel zum Zweck, NZZ, 7.3. von Dirk Vaihinger und Nicolas Brandenberg
 

In der Volksschule verbreitet sich der Zugang zu digitalen Arbeitsmitteln zügig. Immer mehr Primarschulklassen werden mit Tablets ausgerüstet. Während deren Verwendung für manche Menschen nicht umfassend genug sein kann, tun sich andere schwer mit der Digitalisierung im Klassenzimmer und vermuten schon im Einsatz des Beamers einen fragwürdigen Einfluss auf die kognitive Entwicklung der Zöglinge. Während es für die einen ausgemachte Sache ist, dass über kurz oder lang der gesamte Schulstoff über digitale Endgeräte vermittelt wird, feiern andere das Offline-Sein als neuen Weg zur Erleuchtung.

Game-Regeln
Zu den unterschiedlichen Haltungen gegenüber der Schule kommen die Diskussionen in den Familien. Viele Eltern streiten sich mit ihren Kindern über Handy-Zeiten und Game-Regeln und fürchten nun, ihre Sprösslinge würden jetzt auch im Unterricht unentwegt aufs Tablet starren und noch früher in die «pathologische Bildschirmfixierung» geführt (NZZ 30. 1. 19).

In dieser Gemengelage sollten wir daran erinnern, dass digitale Lehrmittelteile nur dort im Unterricht eingesetzt werden sollen, wo sie sinnvoll sind. Im Kanton Zürich wird den Schulen dazu ein ICT-Guide zur Verfügung gestellt. Digitale Anteile werden heute bei der Lehrmittelentwicklung von Anfang an mitgedacht – dabei wird das Gedruckte nicht einfach digital wiederholt, sondern das Potenzial des Mediums dort genutzt, wo es seinen didaktischen Zweck hat. Mathematische Grundfertigkeiten können etwa gut mit interaktiven Übungen auf dem individuell passenden Niveau trainiert werden. Dagegen werden geometrische Konstruktionen besser erst mit Stift und Papier eingeführt.

Die Medienkonvergenz, also das Zusammenwachsen verschiedener Medien, erleichtert im Schulalltag allen Beteiligten das Leben. Wo früher gemeinsam Dialogen ab CD gelauscht wurde, können heute die Lernenden Film- und Tondokumente direkt bei einer Aufgabe abspielen, und zwar in selbstgewähltem Tempo. Bei zahlreichen digitalen Lehrmitteln lässt sich zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen einer Aufgabe nahtlos hin und her wechseln. Adaptive Lernfördersysteme reagieren sogar auf den Lernstand und erhöhen oder senken laufend die Anforderungen, abgestimmt auf die individuellen Lernfortschritte. Modular aufgebaute Lehrmittel ermöglichen Verzweigungen, um einzelne Aspekte zu vertiefen, zu wiederholen oder auszuweiten. Vorlagen lassen sich individuell bearbeiten, und Lehrpersonen können so ihre jeweiligen Unterrichtswünsche einbringen.

Korrekturen und Ergänzungen werden laufend eingespielt, und Schulen können immer die aktuellste Ausgabe nutzen. Früher waren manche Handbücher für Lehrpersonen schwere Bundesordner – digital werden sie als eigenständige interaktive Angebote umgesetzt oder, etwa in Französisch, direkt in die Lehrmittel integriert, allzeit und von überall her griffbereit.

Dynamische Entwicklung
Die Entwicklung der Lehrmittel bleibt dabei dynamisch. Neue Anforderungen und Bedürfnisse werden laufend gesammelt, zusammen mit Lehrpersonen und der Fachdidaktik entwickelt und abgestützt. Dabei wird auch der kantonale Datenschützer einbezogen, denn selbstredend sind die Daten von Schülerinnen und Schülern sorgfältig zu behandeln. Der Umgang damit ist im Übrigen eins der Themen im neuen Modul Medien und Informatik. Dort wird den Kindern vermittelt, was Informatik ist, wie Medien wirken und wie sie genutzt werden können.

Neue Medien verändern die Arbeitsweisen und die Wahrnehmung, das gilt natürlich auch für die digitalen Anwendungen in den Schulen. Didaktisch sinnvoll eingesetzt, sind sie in erster Linie eine enorm praktische und entlastende Unterstützung des Unterrichts.

Dirk Vaihinger leitet die Redaktion und Nicolas Brandenberg die Abteilung Digitale Medien im Lehrmittelverlag Zürich.

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