Schulleistungen zu benoten, ist für
Schweizer Lehrer oft eine Zitterpartie. Eltern wollen bei Prüfungs- und
Zeugnisnoten vermehrt das letzte Wort haben. Eine Primarlehrerin gesteht in der
Zeitschrift «Bildung Schweiz»: «Manchmal benote ich das Kind weniger streng,
einfach, um meine Ruhe zu haben.» In Ruhe gelassen werden will sie von einem
Elternpaar, das ihr den Berufsalltag zur Hölle macht. «Sie schauen mir genau
auf die Finger, überprüfen die Lernziele, fragen nach Belegen für dies und
jenes.»
Eltern drücken auf höhere Noten und Lehrer geben nach, Bild: Franco Greco
Kinder von Motz-Eltern kriegen bessere Noten, 20 Minuten, 15.4., von B. Zanni
Lilo Lätzsch, Präsidentin des Zürcher
Lehrerverbands, bestätigt: «Aus Angst vor einem grossen Elternknatsch machen
Lehrer aus einer 4 eine 4,5 oder aus einer 4,5 eine 5.»Für die Lehrer sei es
schwieriger geworden, Noten zu geben und Leistungen zu beurteilen.
«Vor allem bei den mündlichen Noten
wird gefälscht»
Auch Beat Zemp, Präsident des
Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, berichtet, dass Eltern vereinzelt
versuchten, Lehrer bei der Notengebung unter Druck zu setzen. «Vor allem bei
der Bewertung der mündlichen Leistungen wird gefälscht.» Weil sich die Noten
für das Mitmachen im Unterricht weniger klar mit Fakten begründen liessen,
würden einige Eltern die Notengebung hinterfragen. «Besonders Lehrer, die eine
Stelle frisch angetreten hätten, gäben bei massivem Druck manchmal nach.»
Andere wollten sich solche Probleme gar nicht aufhalsen und verzichteten
deshalb ganz auf mündliche Noten.
Laut den Lehrervertretern mischen sich
oft sogenannte «Helikopter-Eltern», also überbehütende Eltern, ein. «Sie rufen
permanent an, schicken E-Mails und geben durch, welche Noten ihr Kind braucht»,
sagt Lilo Lätzsch. Wie die Verbände sagen, wollen solche Eltern ihren
Sprösslingen damit den Übertritt ins Gymnasium erleichtern oder sie für die
Lehrstellensuche mit Bestnoten ausrüsten.
Behörden helfen Eltern
Warum knicken Lehrer ein? Laut den
Lehrervertretern drohen einige Eltern mit Anwälten oder Konsequenzen, falls die
Lehrer die Noten nicht anpassen. Manche Eltern hetzen den Lehrern sogar direkt
die Behörden auf den Hals.
«Die Schulbehörden ergreifen dann
allenfalls gleich Massnahmen», sagt Kathrin Scholl, stellvertretende
Geschäftsführerin des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands. Etwa
müssten die Lehrer sämtliche Noten mit der Schulleitung absprechen. Da
Schulpflegen gewählt werden müssten, seien sie weniger unabhängig, so Scholl.
Laut Beat Zemp hat die mühsame Elternarbeit sogar auch schon zu
Berufsausstiegen geführt.
«Das ist verfassungswidrig»
Für Schulrechtsexperte Peter Hofmann
ist klar: «Nur weil Herr Müller oder Frau Meier Stunk machen, dürfen Lehrer dem
Schüler noch lange keine Gefälligkeitsnoten verteilen.» Bewerteten Lehrer unter
Druck anders, als es der tatsächlichen Leistung entspreche, würden sie die Bundesverfassung
verletzen. Darin steht, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
Um das Problem zu bekämpfen, fordert
Kathrin Scholl: «Die Schulleitungen und die Schulbehörden müssen die Lehrer in
der Elternarbeit mehr unterstützen.» Laut Hofmann müssen die Schulen die
Rollenklarheit zwischen Lehrern und Eltern wieder herstellen. «Für die
Notengebung sind die Lehrpersonen allein verantwortlich, denn sie sind die
Fachleute für das Lernen.»
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