Eine Reform ist laut
Definition eine planvolle und
gewaltlose Umgestaltung bestehender Verhältnisse mit der Absicht, die Dinge zu
verbessern. Wir sind uns alle einig, dass Reformen, besonders in der Schule,
beliebt und zweifellos auch dringend nötig sind. Doch wird heute immer mehr am
Gerüst herumgebastelt und das dann als Bildungsreform verkauft. Harmos, z.B.,
lässt sich der Kanton Basel-Stadt in den nächsten Jahren fast 1 Milliarde
Franken kosten. Das sind aber nur die baulichen Massnahmen, die für die
Umsetzung auf das System 6 Jahre Primar / 3 Jahre Sekundar notwendig seien. Es
werden Strukturen und Hierarchien geschaffen, die bewirtschaftet werden wollen.
So wird denn das Netz der Kontrolle immer engmaschiger, die Bürokratie
triumphiert. Der Lehrer wird vom Schulleiter, der vom Schulrat und Inspektorat,
das wiederum vom Amt kontrolliert. Das Amt wird vom Erziehungschef kontrolliert
und ich bin sicher, dass auch der bei jemandem den Kopf hinhalten muss. Verfolgen
Sie mal, wie in Ihrer Gemeinde die Pensen der Schulleitungen in den letzten
Jahren gestiegen sind – bei sinkenden Schülerzahlen, notabene!
Schulreformen: Verpackung oder Inhalt? Bild: inhabitots.com
Blog der Südostschweiz, 3.3. von Urs Kalberer
Reformen über Reformen – und immer im Namen der Bildung. Da kann man
doch nicht dagegen sein, oder? Während seit Jahren bekannt ist, dass 20 Prozent
der Knaben die obligatorische Schule verlässt, ohne wirklich lesen und
schreiben zu können, werden bei uns Hochglanzprospekte für Leitbilder gedruckt.
Leitbilder, Evaluationen, Qualitätskontrolle: die Schule hat sich zu einem
Wirtschaftsfaktor entwickelt. Doch Schule ist nicht Wirtschaft, Schulleiter
keine Firmenchefs und Lehrer keine Angestellten, die nach einem fremdbestimmten
Arbeitsplan arbeiten. Mit Schule kann man Geld machen. Doch dieses Geld landet
nicht in den Klassenzimmern. Dort können, nach Auskunft der Lehrmeister, immer
weniger Schüler das simple Einmaleins.
Auch die Lehrer sollen nicht mehr selbstständig unterrichten, sondern
nur noch da und dort die Maschine ölen, wenn sie stockt. Sie werden zunehmend
zu Coaches degradiert, deren Aufgabe es ist, möglichst heterogene
Schülergruppen den Schulstoff individuell bearbeiten zu lassen – das nennt sich
dann „Förderorientierung“. Die Beurteilung findet in kleinen, überprüfbaren
Häppchen, den vielbeachteten Kompetenzen, statt. Das Ganze wird uns als Reform
verkauft, unabhängig davon, ob es auch wirklich zu einer Verbesserung führt
oder nicht. Die Verbissenheit, mit der der Lehrplan 21 an allen guten
Argumenten vorbeigeschleust wird, sollte eigentlich hellhörig machen. Wir
wissen schon seit längerer Zeit, dass z.B. der bei uns praktizierte
Frühfremdsprachenunterricht (Schönsprech: Sprachbad) nichts bringt. Ich kenne
keine Primarlehrerin, die nicht unter der grossen Heterogenität in ihrer Klasse
stöhnt. Trotzdem gilt es nun, die Heterogenität durch Altersdurchmischung
(Schönsprech: Lernlandschaften) weiter zu erhöhen. Doch ist der Schritt zurück
zu einem Lehrer für mehrere Klassen wirklich ein Fortschritt? Die oben
erwähnten Entwicklungen geschehen unter den anerkennenden Augen eines
Lehrerverbandes, der lieber pädagogisch bankrott geht, als sich dem Anschein
von Reformkritik auszusetzen. Denn wer bei dem ganzen Trallala von Reformen
Fragen stellt, gilt schnell als konservativ und veraltet. Wer hingegen
kritiklos mitmacht, der gilt als fortschrittlich und bekommt die Lorbeeren. So
einfach läuft das bei uns.
Ich habe in den vergangenen Beiträgen immer wieder auf Missstände
hingewiesen, dies ist mein letzter. Jetzt liegt es an den Eltern, Bürgern und
der Politik endlich zu handeln. Genug der Selbstbeweihräucherung. Wir brauchen
keine Lobreden für die Bündner Schule, sondern die Dinge müssen beim Namen
genannt werden. Zur Erinnerung nochmals eine Auswahl von Handlungsfeldern:
Chancengerechtigkeit bei Aufnahmeprüfungen und zweisprachigen Schulen (z.B.
Chur), die völlig verkachelte integrative Förderung, Hochdeutsch und Förderwahn
im Kindergarten, der Lehrplan 21 und der Wildwuchs der Bildungsbürokratie, die
zweifelhafte Ausbildungsqualität an der PHGR, die Krise der Bündner
Mittelschulen, die Heuchelei mit den Fremdsprachen und das faktenresistente
altersdurchmischte Lernen. Das sollte eigentlich reichen.
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