Eine Lehrerin betreut die Schüler bei den Hausaufgaben, Bild: Thomas Peter
Talente starten trotz Schulpflicht durch, Berner Zeitung, 17.2. von Monique Iseli
Betritt Peter
Rubeli ein Schulzimmer, in dem gerade eine Förderlektion im Rahmen des
«Talent»-Programms stattfindet, ist er vom Eifer und vom Ehrgeiz der
Jugendlichen fasziniert. «Ich staune über die Ernsthaftigkeit, mit der die
Talente den Schulstoff wahrnehmen», erklärt der Schulleiter des Schulzentrums
Kreuzfeld, Langenthal.
Alles unter einen Hut bringen
Dass sie
nicht trödeln kann, weiss die Neuntklässlerin Mara Scherrer. Sie tanzt während
mindestens elf Stunden pro Woche im Dance Center in Langenthal. Besonders in
der achten Klasse habe sie oft unter Zeitdruck gelitten, sagt die talentierte
Madiswilerin. Die angebotenen Förderlektionen konnte sie im letzten Schuljahr
für Hausaufgaben nutzen. Für diese fand sie zuvor wegen des Trainings oft keine
Zeit mehr. Im Lernatelier, das für die individuelle Berufsvorbereitung fest in
den Stundenplan der Neuntklässler eingebaut ist, kann die 16-Jährige nun ihre
Hausaufgaben erledigen. Ballett, Streetdance, Jazz, Hip-Hop, diverse Auftritte
und Schule liessen sich so unter einen Hut bringen – «aber nur mit viel
Selbstdisziplin», sagt Scherrer.
Vom Projekt zum Programm
Mit insgesamt
62 Talenten ist das Förderprogramm seit der Initiierung vor acht Jahren um mehr
als das Vierfache gewachsen. Der Löwenanteil der Talente machen die 25
Eishockeyspieler des SC Langenthal sowie die 12 Fussballer des Teams Oberaargau
Emmental aus. Zu den geförderten Zweit- bis Neuntklässlern im Schulzentrum
Kreuzfeld zählen ausserdem Sportler aus den Disziplinen Kunstturnen,
Leichtathletik, Schwimmen, rhythmische Gymnastik, Tennis und Eiskunstlauf. Aus
der Musikschule nehmen zurzeit sechs, aus dem Dance Center drei Talente am
Förderprogramm teil. «Von einem Projekt kann nicht mehr die Rede sein», sagt
Rubeli. «Der Übergang zum Status Programm hat längst stattgefunden.» Was auf
lokaler Ebene begonnen hat, ist nun überregional gefestigt. Zum Beispiel durch
die Zusammenarbeit mit dem Tenniscenter Trimbach oder einem Fussballtalent der
Berner Young Boys, das im Schulzentrum Kreuzfeld den Förderunterricht besucht.
Schon ein nächstes Projekt
Der für das
Programm zuständige Fachrat, bestehend aus einem Mitglied der Schulkommission,
den Schulleitern des Kreuzfeld 1 bis 4, einer Vertretung der jeweiligen
Institutionen sowie dem Koordinator, arbeitet schon das nächste Projekt aus.
Das Förderprogramm soll Einzug in weiterführenden Schulen halten, denn derzeit
fehlt in Langenthal eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit.
Die 22
Mädchen und 40 Knaben, die dem Programm angehören, besuchen den regulären
Schulunterricht. Für eine Dispensation reicht in ihrem Fall die Zustimmung des
Koordinators, ein Gesuch an die Schulleitung ist nicht nötig. Um den verpassten
Stoff nachzuholen oder individuell Hausaufgaben zu erledigen, stehen
wöchentlich zehn Förderlektionen zur Verfügung. Zu den Ressourcen vom Kanton
zählt nebst den Zusatzlektionen das 20-Prozent-Pensum des Programmkoordinators.
Um den
Förderunterricht zu gewährleisten, braucht es qualifizierte Lehrkräfte.
Probleme in der Mathematik, verpasster Französischstoff und Hausaufgaben in
Geschichte behandeln die Talentschüler mithilfe der Förderlehrkraft. «Für den
Zusatzunterricht brauchen wir Spezialisten sowie Generalisten», erklärt Stefan
Götz, Koordinator des «Talent»-Programms und selber auch Förderlehrkraft. Der
Oberstufenlehrer vermittelt zwischen Schülern, Eltern, Lehrern und
Institutionen oder Vereinen und stellt jedem Talent einen individuellen
Wochenplan zusammen. «Um eine Überlastung zu vermeiden, darf neben Schule und
Sport oder Musik auch die Erholung nicht zu kurz kommen», betont Götz. Peter
Rubeli stellt fest, dass schulischer und sportlicher Erfolg meist parallel
verlaufen. «Typischerweise gibt es keine Schere zwischen Schule und Sport»,
erklärt er. «Die Leistungen in der Schule und diejenigen im Sport oder in der
Musik befruchten sich gegenseitig.»
Auch Austauschschüler
So ist es
auch bei Eishockeytalent Laurin Prosenz aus Österreich, der ebenfalls in
Langenthal zur Schule geht. Nur im Französischunterricht hapert es beim
Austauschschüler noch. «Da ich in Österreich nie Französisch hatte, bin ich im
Rückstand», sagt der 15-Jährige, der bei einer Gastfamilie in Thunstetten
wohnt. Er und ein kanadischer Eishockeykollege sind im Rahmen von «Talent» die
ersten Austauschschüler im Schulzentrum Kreuzfeld. Sie weiten das Programm
sogar auf eine internationale Ebene aus.
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