Die Sekundarlehrer stellen gegenüber früher einen Niveauverlust fest, Bild: az
Niveauverlust: Wieso werden die Schüler in der Sek E schlechter? Solothurner Zeitung, 6.10. von Elisabeth Seifert
«Sek-I-Reform:
Die Skepsis ist gewachsen.» Unter diesem Titel publiziert der Verband der
Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO) in der aktuellen Ausgabe des Schulblatts
eine – repräsentative – Umfrage, die er im Mai dieses Jahres lanciert hatte
(siehe Text unten). Und die Ergebnisse haben es in sich: Der grössere Teil der
Volksschullehrerschaft ist nicht überzeugt davon, dass die neue Sekundarstufe I
ihre Aufgaben besser oder zumindest gleich gut erfüllt wie das alte System.
Erstmals
haben im Sommer jungen Frauen und Männer ihre obligatorische Schulzeit in der
neu gestalteten Oberstufe beendet. Nach drei Jahren in den Abteilungen E
(Erweiterte Anforderungen) und B (Basisanforderungen) sammeln sie derzeit
ersten Erfahrungen in der Berufswelt. Die ersten Absolventen der zweijährigen
Sek P (Progymnasium) haben bereits ein Jahr Gymnasium hinter sich.
Nicht dasselbe: Sek E und Bez
Besonders
ihr Fett ab bekommt im Urteil der Lehrerinnen und Lehrer die Sek E. Sie stellen
einen «Niveauverlust» fest gegenüber der ehemaligen Bezirksschule. Damit
verbunden bezweifelt eine Mehrheit, dass die Schulabgänger genügend gut auf die
weiterführenden Schulen und die Anforderungen einer anspruchsvollen
vierjährigen Berufslehre vorbereitet werden. Für Yolanda Klaus, die
stellvertretende Chefin im Volksschulamt (VSA), kommt die Kritik der
Lehrpersonen nicht überraschend. Diese werde aber dem Systemwechsel auf der
Stufe Sek I nicht gerecht, betont sie im Gespräch mit dieser Zeitung.
«Die
Sek E ist nicht eins zu eins vergleichbar mit der ehemaligen Bezirksschule.» Im
Vergleich zu den progymnasialen Zügen der alten Oberstufe umfasse die Sek P
einen höheren Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs. «Das
bringt gewisse Verschiebungen gegenüber der früheren Bezirksschule mit sich.»
Im Durchschnitt können die Sek-E-Schüler also nicht die gleichen Leistungen
erzielen wie früher die Absolventen der Bezirksschule. Der «grössere Teil» sei
aber durchaus mit Bezirksschülern vergleichbar, ist Yolanda Klaus überzeugt.
Das
wiederum bedeute, dass sich zwar nicht alle Absolvierenden der Sek E für
die anspruchsvollen vierjährigen Berufsbildungen qualifizieren, aber eine
Mehrheit. Eine fundierte Beurteilung sei allerdings erst möglich, wenn die
ersten Sek-E-Schüler ihre berufliche Grundbildung abgeschlossen haben.
Sek E: Im Schatten der Sek P
Auch
wenn Yolanda Klaus die Kritik vonseiten der Volksschullehrerschaft relativiert,
Handlungsbedarf erkennt auch das Volksschulamt. «Es ist uns bis jetzt nicht
gelungen, die Sek E für sehr gute Schüler als Alternative zur Sek P zu
positionieren.» Hartnäckig halte sich bei Eltern und breiten Teilen der
Bevölkerung die Vorstellung, dass die Sek P «die beste» der drei Abteilungen
auf der Sekundarstufe I ist.
«Das
aber stimmt nicht», hält die stv. Amtschefin entgegen. Sek P und Sek E
unterscheiden sich vielmehr darin, dass die Sek P auf die Maturitätsschule
vorbereitet – und die Sek E auf anspruchsvolle Berufsbildungen. «Auch sehr gute
Schüler, die wissen, dass sie später eine Berufsausbildung absolvieren wollen,
sollten die Sek E besuchen.» Es seien bislang aber einzelne wenige sehr gute
Schüler, die dieser Logik folgen.
Dies
aber habe zur Folge, dass gemessen an den Vorgaben tendenziell immer noch zu
viele Mädchen und Knaben die Sek P besuchen. Schülerinnen und Schüler, die dann
in der Sek E fehlen. Im August haben über 23 Prozent der Sechstklässler den
Übertritt in die Sek P geschafft. Die bildungspolitische Zielgrösse liegt
zwischen 15 und 20 Prozent. In die Sek E eingetreten sind dieses Jahr indes
«nur» knapp 39 Prozent statt der gewünschten 40 bis 50 Prozent.
Vom Gymi in die Lehre
Damit
wiederholt sich dieses Jahr in etwa das gleiche Spiel wie bereits in den drei
Jahren zuvor. Auffallend ist dabei, dass der grösste Teil der Sek-P-Schüler –
ganz im Sinne des neuen Systems – nach der zweiten Sek P tatsächlich in die
Maturitätslehrgänge wechselt. So haben im vergangenen Schuljahr nur rund 7
Prozent mit Blick auf eine berufliche Grundbildung das letzte obligatorische
Schuljahr in der Sek E absolviert. «Genau diese Schüler aber wollen wir dazu
bewegen, von Anfang an die Sek E zu besuchen.»
Auch
für Schüler, die nach der ersten Klasse des Gymnasiums in eine Berufslehre
wechseln, wäre die Sek E eigentlich die optimalere Ausbildung, fügt Yolanda
Klaus bei. Nach Auskunft von Stefan Zumbrunn, Rektor der Kanti Solothurn, haben
dieses Jahr tatsächlich «vermehrt» Gymnasiasten die Kanti nach dem ersten Jahr
in Richtung Berufslehre verlassen, «sowohl schwache als auch hervorragende
Schüler». Diese Durchlässigkeit bewertet Zumbrunn durchaus positiv. «Es wäre
aber bedenklich, wenn sich diese Möglichkeit als Weg in die Berufslehre
allgemein etablieren würde.»
Wie
aber wird es gelingen, die Schülerströme in die von der Bildungspolitik
gewünschte Richtung zu lenken? «Wir müssen Lehrpersonen und Eltern noch besser
über die Ausrichtung und die unterschiedlichen Profile von Sek E und Sek P
informieren», meint Yolanda Klaus. Keine Antwort ist ihr auf die Frage zu
entlocken, ob das Volksschulamt bei der Aufnahmeprüfung in die Sek P nicht
einfach die Schraube anziehen wird.
Der
Weg ins Gymnasium werde auf alle Fälle nicht verbaut, unterstreicht Klaus. Nach
der dritten Klasse der Sek E können entsprechend begabte Schülerinnen und
Schüler eine Aufnahmeprüfung ins Gymnasium machen. «Sek E-Schüler haben mit
dieser Prüfung eine faire Chance für den Eintritt ins Gymnasium», meint auch
Kanti-Rektor Stefan Zumbrunn.
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