Die Lehrpersonen als Besserwisser, Basler Zeitung, 31.10. von Allan Guggenbühl
Lernen
ist in einen Kommunikationsprozess eingebettet. Eine Person will beim Gegenüber
etwas vermitteln oder auslösen; ein Interesse, Neugier oder eine Irritation
auslösen. Die Wirksamkeit hängt von der Intensivität des Vermittlungsaktes ab.
Je eindrücklicher, desto grösser die Chance, dass das Gegenüber die Information
behält oder angeregt wird zu denken. Wie man aus Geschäftsbeziehungen, der
Politik, aus der Psychotherapie und von privaten Erfahrungen weiss, bleiben vor
allem jene Mitteilungen haften, die von Person zu Person vermittelt wurden. Studenten
der Hochschulen können die unzähligen Artikel, die sie gelesen haben, kaum
rekapitulieren, die Kernbotschaften der Professoren jedoch schon. Der Inhalt
erhält seine Bedeutung durch das Beziehungssetting. Emotionen, die physische
Präsenz sind ebenso wichtig wie der Inhalt. Schulisches Lernen ist ein
Anbindungsakt der jüngeren Generation an das Wissen und Können der Kultur,
vermittelt durch dazu befähigte Alte.
Prägungen
sind unberechenbarer und nicht planbar. Sie werden durch die Chemie der
beteiligten Menschen beeinflusst. Meist erreicht nur ein kleiner Teil der
intendierten Informationen die Adressaten. Wird das Gegenüber angeregt, dann
spinnt es zudem die Informationen kreativ weiter, verändert sie. Die
Unberechenbarkeit der Kommunikation macht es schwierig, Lernprozesse zu
objektivieren und Resultate vorher zu definieren. Reduziert man den Lernprozess
jedoch auf Blätter, Computerresearchs und selbsttätiges Arbeiten, dann hat man
den Beziehungsfaktor ausgeschaltet. Lernen ist kein Prägungsprozess mehr.
Wissen und Denken werden nicht eingefordert und die Lerninhalte werden
beliebig. Dafür werden die Erhebung empirischer Fakten und Kontrolle
ermöglicht. Man kann den Lernerfolg scheinbar erfassen. Problematisch ist, dass
die Schüler drohen in ihrem Denkhorizont zu verharren, während sie eifrig
Strichli machen und in einem Meer von irrelevanten Informationen herumsurfen.
Platon warnt vor einer Ausrichtung auf das Schriftliche. Der Mensch delegiere
damit das Denken an Papier; Vergesslichkeit und Geschwätzigkeit seien die
Folgen. Selbsttätiges Lernen macht Sinn, wenn die Schüler von Lehrpersonen
gleichzeitig erfahren, was wichtig ist. Sie brauchen Erwachsene, die sich ihnen
gegenüber als Besserwisser präsentieren und sich mit ihnen persönlich
auseinandersetzen.
Gut
würde es der Schule tun, wenn sich der Unterricht eine Woche lang völlig von
Computern und Papier löst und auf mündlichen Unterricht beschränkt. Die
Lehrpersonen konzentrieren sich auf jene Lerninhalte, die ihnen wirklich am Herzen
liegen. Nichts darf gelesen oder aufgeschrieben werden. Die Chance wäre gross,
dass sich die Schüler und Schülerinnen wirklich beeindrucken lassen und sich an
den Stoff erinnern.
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