Eigentlich hatte alles so gut angefangen. Sämtliche
Kantone und fast neun von zehn Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern waren dafür:
Die eidgenössische Bildungsverfassung sollte den Rahmen für eine Annäherung der
kantonalen Schulen schaffen. Ein Umzug von einem Kanton in den anderen sollte
in Zukunft weder für die Eltern noch für die mitziehende Jungmannschaft im
Bildungsfiasko enden. Endlich sollten Schuleintrittsalter, Schulpflicht, die
Dauer der einzelnen Schulstufen, deren Ziele und deren Übergänge einheitlich
sein. HarmoS lautete das Schlagwort. Das Schulleben sollte einfacher werden,
nicht komplizierter.That’s it!
Die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz redet Klartext, Bild: fetz.ch
Lasst die Schule in Ruhe! Die Zeit, 23.10. von Anita Fetz
Das war vor acht Jahren.
Heute stellen wir fest: Das Gegenteil ist eingetroffen. Die Euphorie von damals
ist längst verflogen.
Die Kantone geben einander
wegen des Streits um die Frühsprachen aufs Dach, und nebenbei hat eine
überambitionierte Bürokratenmaus einen Dokumentenberg geboren, der das
Matterhorn vor Neid erblassen lässt. Schon allein der Entwurf des sogenannten
Lehrplans 21 ist monströs: über 550 Seiten mit fast 5.000 Kompetenzen.
Auch der Titel hat mit dem
21. Jahrhundert nichts zu tun. Sondern mit der Anzahl der Kantone, deren
Lehrpläne gleichgeschaltet werden sollen. Es ist also nicht auszuschließen,
dass er irgendwann einmal nur noch Lehrplan 5 heißen wird. Denn selbst in
Kantonen, welche die Harmonisierung nahezu einstimmig befürwortet haben, wächst
der Widerstand – und das nicht auf dem Niveau der Kindertränen-Plakate, die
eine halbe Bundesratspartei in bisherigen kantonalen Abstimmungen aufgehängt
hat. Sondern bei Lehrkräften, Eltern und kritischen Pädagogen. Und genau die
sollten dieses Monsterwerk tragen und umsetzen.
Der Lehrplan baut nicht auf
Wissen und Inhalte, sondern auf eine schummrige
"Kompetenzorientierung". Ein Professor hat bereits gespottet, nach
Lehrplan 21 genüge es, dass die Schüler einmal vom Einmaleins gehört hätten und
wüssten, wo sie es finden könnten; beherrschen müssten sie es nicht mehr.
Anders gesagt: Die Schule
soll neu erfunden werden. Aber nur in den Kantonen, die sich dem Lehrplan
anschließen – und das sind längst nicht alle. Eine schweizweite oder auch nur
sprachregionale Annäherung, wie wir sie wollten, sieht anders aus. Eine
Vereinfachung auch.
Ehrlicherweise müsste man
deshalb eingestehen: HarmoS in der heutigen Form ist gescheitert. Und zwar
daran, dass das Fuder mit der Kompetenzausrichtung und mit viel bürokratischem
Fleiß überladen wurde. Der Brei ist durch die Anzahl der Köche, die
hingebungsvoll darin gerührt haben, nicht besser geworden. Daran ändern auch
neumodische Torheiten wie kontextblinde Benchmarking-Gleichmacherei und andere
der Wirtschaft abgeschaute Instrumente nichts.
Kommt hinzu: Die ganze
Übung ist teuer. Sehr teuer. Und das Geld fließt in Beton, nicht in Bildung! In
Basel etwa verschlingen die Schulhausumbauten mit mehreren Hundert Millionen
Franken derart viel Geld, dass der Kanton nur knapp der Schuldenbremse
entkommt, aber auf Jahre hinaus keine größeren Investitionen mehr tätigen kann.
Wer sich bei Lehrpersonen
und Eltern umhört, wird das Gefühl nicht los, die Schule brauche weniger
pseudopädagogische Reformen, weniger Projektitis. Dafür gut ausgebildete und
engagierte Lehrpersonen, die man in Ruhe guten Unterricht durchführen lässt.
Schließlich sollte die obligatorische Schule mit Bildungsinhalten eine solide
Basis für das Leben setzen. Für die Einführung in die Arbeitswelt ist die
Berufsbildung zuständig.
Oder etwas altmodisch
gesagt: Für das Leben lernen wir. Nicht für die Bildungsbürokratie.
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