Der Sprachwissenschafter Rudolf Wachter (Uni Basel und Lausanne) kämpft gegen zwei Fremdsprachen an der Primarschule, Bild: Universität Basel
Lehrer sind verunsichert, Tageswoche, 25.9. von Brendan Bühler
Im
dritten Jahr lernen die Baselbieter Primarschüler Französisch. Gemäss dem neuen
Lehrplan kommt im 5. Schuljahr als zweite Fremdsprache Englisch dazu. Im soeben
begonnenen Schuljahr findet der erste Englisch-Lehrgang statt.
Befürworter haben
schweren Stand
Zum Thema
Frühfremdsprachen referierten je zwei Befürworter und zwei Gegner. Als
Befürworter des neuen Systems wurden Christine Le Pape Racine und Giuseppe Manno eingeladen.
Beide arbeiten als Lehrer an der Pädagogischen
Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Ihre wichtigsten Argumente:
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Der nationale Zusammenhalt ist wichtig – durch das
Lernen von Fremdsprachen wie Französisch wird dieser gefördert.
·
Was ein Kind in der Primarschule lernt, bleibt fürs
Leben.
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Auch wenn nicht alles gut ist, die Reform ist noch
nicht abgeschlossen. Im Jahr 2018 wird evaluiert und verbessert.
·
Kinder profitieren bei der ersten Fremdsprache von der
Muttersprache und bei der zweiten Fremdsprache von der ersten.
·
Das Lese- und Hörverständnis ist bei Kindern mit
Frühfremdsprachen besser.
·
Im Lernplan steht statt Leistung die
Kompetenzförderung im Vordergrund.
Während der Referate ging mehrmals ein
lautes Raunen durch die Menge. Einige Zuhörer schüttelten den Kopf.
Nein zu
Frühfremdsprachen
Auf Seite der
Kritiker wurden Rudolf Wachter,
Lehrbeauftragter an der Uni Basel, und der Lehrer und Blogger Urs Kalberer eingeladen. Ihre
Argumente gegen die Frühfremdsprachen:
·
Die Frühfremdsprachen sind nicht effizienter, wie man
aufgrund von Studien erhofft hatte.
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Das Argument, dass Frühfremdsprachler andere Schüler
überholen werden, ist nicht stichhaltig. Wegen der geringen
Unterrichtslektionen geschieht dies erst nach 14 Jahren – das ist kein Gewinn.
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Damit die Frühfremdsprachen wirklich funktionieren,
bräuchte es kleinere Klassengrössen (10 bis 15 Schüler), eine Lektion pro Tag
und eine Lehrperson mit Muttersprachkompetenzen.
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Im Endeffekt ist kurz und kompakt besser.
·
Zwei Fremdsprachen in der Primarstufe sind zuviel.
·
Später machen Schüler schneller Fortschritte.
Das Publikum lachte öfters, eine
Sitznachbarin nickte energisch mit dem Kopf.
Überforderte
Kinder
In der nachfolgenden Fragerunde fiel
der Begriff des Immersionsmodells. Bei diesem gäbe es nicht nur
Französischlektionen, sondern auch andere Fächer wie Werken oder Mathematik
würden in französischer Sprache unterrichtet. Für Wachter ist dieses Modell besser
als das Frühfremdsprachen-Konzept.
Es meldete sich eine Lehrerin, die von
Überforderung durch zwei Fremdsprachen und «gestressten Kindern» sprach. Und
ein Lehrer meinte: «Ich unterrichte in einer Klasse mit 45 Prozent
Ausländeranteil. Diese Kinder erlernen also drei Fremdsprachen zur gleichen
Zeit. Das ist zuviel.»
Die Befürworter erwiderten, dass
Lernschwierigkeiten bei einzelnen Kindern vorkommen könnten. Jedoch dürfe man
nicht pauschalisieren, da der Lernerfolg individuell variiere und immer auch
von der Lehrperson abhänge.
Freude hält sich
in Grenzen
Allgemein wirkte es so, als sei die
Mehrheit der anwesenden Lehrerinnen und Lehrer wenig begeistert vom
Frühfremdsprachen-Konzept. Die beiden Befürworter hatten einen schweren Stand.
Mehr Klarheit erhoffen sich viele durch die Evaluationsstudie von 2018. Bis
dahin dürften sich noch einige kritische Stimmen bemerkbar machen.
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