Die Integration von verhaltensauffälligen Schülern und solchen
mit Behinderung in Regelklassen ist in der ganzen Schweiz ein grosses
Politikum. Lehrer ächzen unter der Zusatzlast und ärgern sich vor allem auch
über die zunehmende Anzahl von Heilpädagogen und Stützpersonen im Schulzimmer,
die eine grosse Unruhe bringen.
Nachdem
auch dem Basler Bildungsdirektor Christoph Eymann zu Ohren gekommen war, dass
ein Teil der Lehrkräfte unter der Umsetzung der Integration leidet, gab er
vergangenen Herbst eine Studie zu diesem Thema in Auftrag. Die Interkantonale
Hochschule für Heilpädagogik Zürich sollte herausfinden, ob es allenfalls
Korrekturen bei der Umsetzung der Integration braucht.
Studie gibt Basel gute Noten für die Schulintegration, Basler Zeitung, 3.7. von Franziska Laur
Grundsätzlich nicht, steht im Bericht, der nun vorliegt. Die
Integration sei von den Lehrern generell akzeptiert. Allerdings gebe es in
einigen Punkten Handlungsbedarf.
Eymann ist erfreut
An
der gestrigen Medienkonferenz äusserte sich Bildungsdirektor Chris-toph Eymann
äusserst erfreut, dass das laufende Integrationsprojekt so gute Noten bekommen
hat. Ihm sei jedoch trotzdem klar, dass die Integrationsarbeit für die
Lehrpersonen sehr belastend sein könne. So stelle sich nun die Frage, was man
noch besser machen könne.
Darauf
wussten die Studienverfasser Christian Liesen und Peter Lienhard eine Antwort.
Einleitend erklärten sie, dass man nach zahlreichen Gruppen- und
Einzelbefragungen von Schulleitungen, Lehrpersonen und der Kantonalen
Schulkonferenz festgestellt habe, dass das Grundkonstrukt der Integrativen
Schule in Basel solide und tragfähig sei. Auch die finanziellen und personellen
Ressourcen seien ausreichend und am richtigen Ort. Ausserdem habe man
festgestellt, dass die stärkste Belastung für die Lehrpersonen nicht die
Umsetzung der Integration sei. Doch die Integration habe im Gegensatz zu
anderen Reformen den Nachteil, dass sie nie ganz abgeschlossen sei.
«Integrationsarbeit bedeutet jeden Tag potenziell eine neue Belastung.»
Zu viel Papier, zu wenig Autonomie
Trotz
allem Lob sprachen Lienhard und Liesen also auch von Handlungsbedarf. «Das
Erziehungsdepartement soll klar kommunizieren», sagte Lienhard. Dazu gehöre,
dass die Stabs- und Fachstellen in abgestimmter und durchdachter Form auf die
Schulen zugehen und ihnen Hand zur Unterstützung bieten müssten. Ausserdem solle
der Umfang an Papier im Sinne von «weniger ist mehr» drastisch reduziert
werden. Ein wichtiger Punkt sei auch, dass die Bildungsverwaltung den einzelnen
Schulleitungen mehr Gestaltungsraum einräume.
Man
setze nun eine kleine bevollmächtigte Gruppe ein, die in einem halben Jahr
strategische Leitlinien für die Volksschule formuliere, sagte Pierre Felder,
Leiter Volksschulen. Diese Gruppe überprüfe auch die Fülle an Konzeptpapieren
auf ihre Notwendigkeit.
Nun
hatte jedoch Bildungsdirektor Christoph Eymann noch vor einigen Monaten in
verschiedenen Medien Korrekturbedarf bei der Integrativen Schule formuliert. Zu
sehr würden die Lernunwilligen in einer Klasse die Lehrer- schaft belasten.
Gestern sagte er: «Ich ziehe meine Zweifel zurück.» Allerdings räumte er ein:
«Wenn die Umfrage unter den Lehrpersonen anonym durchgeführt worden wäre, hätte
es eventuell ein etwas anderes Resultat gegeben.» Doch er sei im Hinblick auf
die finanziellen Ressourcen froh, dass er aufgrund dieser Studienergebnisse das
Angebot nicht ausweiten müsse.
Freude über mehr Autonomie
«Der
Basler Auftrag wird gut umgesetzt, das ist positiv», sagt Gaby Hintermann,
Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz (KSBS). Sie befürworte jedoch sehr,
dass die Verfasser auch Empfehlungen zum weiteren Vorgehen gegeben hätten. Eine
wichtige Feststellung der Studie sei, dass die Integration nur gelinge, wenn
sie standortspezifisch umgesetzt werde und so die Stärken der einzelnen Schulen
genutzt werden könnten. «Die Studienverfasser plädieren also für mehr Gelassenheit,
wenn die Integration nicht in allen Schulhäusern genau gleich umgesetzt wird.
Das ist eine gute Erkenntnis», sagt Hintermann.
Nun
wünscht sie sich vonseiten der Bildungsverwaltung auch den Mut, mehr Autonomie
zuzulassen und die Zügel mehr aus der Hand zu geben. Für sie ist jedoch auch
klar, dass viele Lehrpersonen die Kleinklassen noch vermissen. So hat sich die
KSBS dafür eingesetzt, dass es da, wo es nötig ist, weiterhin separate Angebote
gibt.
Kleinklassen als wichtiger Beitrag
Auch
Thomas Grossenbacher (Grünes Bündnis) warnt vor einer Überforderung des
Systems. Dabei geht es ihm nicht darum, das Ziel der Integrativen Schule
infrage zu stellen. Es gehe vielmehr darum, zu prüfen, ob bewährte Strukturen,
wie zum Beispiel die Kleinklassen, nicht weiterhin einen wichtigen Beitrag zur
Erreichung dieses Zieles leisten können.
«Es
besteht sonst die Gefahr, dass in den jetzt geführten Klassen der
Spezialangebote ausschliesslich Kinder geschult werden, die in Regelklassen
nicht integrierbar sind», sagt er. Eine mögliche Auswirkung auf die Klassen der
Spezialangebote könne sein, dass durch die fehlende Durchmischung das
Unterrichten enorm erschwert wird. Diese Entwicklung müsse ebenfalls genau
beobachtet und allfällige Korrekturen rechtzeitig ergriffen werden. Für ihn ist
auch die Frage noch nicht geklärt, wie hoch die Belastung für das Lehrpersonal
tatsächlich ist.
«Wir
negieren nicht, dass es Lehrkräfte gibt, die leiden», sagt denn auch
Bildungsdirektor Eymann. Man verfolge nun zwar die strategische Zielsetzung
weiter, sei jedoch gleichzeitig offen für die Realitäten und Bedürfnisse der
Praxis. «Gefragt ist Dialog, nicht Monolog.»
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