Sowohl beim Lehrerinnen- und Lehrerverband als auch
beim Verband der Schulleiter herrscht Erleichterung über den Entscheid desBezirksgerichts Bremgarten. Eltern dürfen ihrem Kind nicht erlauben, die Schule
nicht zu besuchen, weil ihm der Stoff nicht behagt.
Lehrer-Präsidentin zu Schulschwänzer-Urteil: "Alles andere wäre eine Katastrophe für die Schule, Aargauer Zeitung, 21.2. von Jörg Meier
Eltern dürfen ihrem Kind nicht erlauben, die Schule
zeitweise nicht zu besuchen, nur weil dem Kind der Schulstoff nicht
behagt. Dieser Entscheid des Bezirksgerichts Bremgarten sorgt
bei Lehrpersonen, Schulleitungen und Schulpflegen für Erleichterung.
«Alles andere wäre eine Katastrophe für die Schule
gewesen», erklärt Elisabeth Abbassi, Präsidentin des Aargauer Lehrerinnen- und
Lehrerverbands (alv). Wären die Eltern, die ihrem Sohn erlaubten, nicht an der
Projektwoche zum Thema «Herausforderungen» teilzunehmen, freigesprochen worden,
dann wäre der Willkür Tür und Tor offen gestanden, sagt Abbassi. «Wenn Eltern
künftig selber entscheiden könnten, was ihre Kinder lernen sollen und was
nicht, würde dies das Unterrichten noch schwieriger machen.»
Abbassi nennt ein Beispiel: Eltern könnten aus
religiösen Gründen ihre Kinder nicht mehr in die Biologie schicken, weil da die
Evolutionstheorie erklärt wird. Oder Väter schicken ihre Buben nicht in den
Hauswirtschaftsunterricht, weil das nichts für Männer sei. So würden unliebsame
Themen einfach wegfallen.
«Ein guter Entscheid»
«Die Schule hat von der Gesellschaft den Auftrag,
die Schüler wertneutral zu unterrichten», sagt Abbassi. «Schülerinnen und
Schüler dürfen und sollen auch eine andere Meinung haben dürfen.» Aber eine
Diskussion könne ja erst entstehen, wenn man sich überhaupt erst der Diskussion
stelle – und sich nicht von vornherein entziehe.
Im konkreten Fall unterstützt Abbassi auch die
Haltung der Schulpflege, die den Schüler nicht von der Projektwoche
dispensierte, obschon dieser nicht teilnehmen wollte, da er keinen Kontakt mit
jungen Asylbewerbern wünschte. Und genau das war vorgesehen.
Das Argument, im Lehrplan stehe aber nichts davon,
dass man lernen müsse, sich mit Asylbewerbern abzugeben, will Elisabeth Abbassi
nicht gelten lassen: «Der Grosse Rat hat beschlossen, dass politische Bildung
obligatorisch zum neuen Lehrplan gehört. Und sich mit der Asylthematik
auseinanderzusetzen, gehört eindeutig zur politischen Bildung.» Dass das
Bezirksgericht Bremgarten den Strafbefehl bestätig hat, findet Abbassi «einen
guten Entscheid, der in die richtige Richtung geht».
Fingerzeig an die Schulpflegen
«Ich bin
sehr froh über diesen Entscheid», sagt Philipp Grolimund, Co-Präsident Verband
Aargauer Schulleiterinnen und Schulleiter (VSLAG). Denn der Fall sei an sich
klar gewesen und es sei ja auch unbestritten gewesen, dass die Eltern
vorsätzlich gehandelt hätten.
Das Urteil folge dem geltenden Gesetz und den
entsprechenden Verordnungen. Er wäre sehr konsterniert und beunruhigt gewesen,
wenn das Gericht anders entschieden hätte. «Dann hätte man wohl das ganze
Rechtssystem überdenken müssen.»
Der Entscheid sei aber auch ein Fingerzeig an die
Adresse der Schulpflegen. Sie sollten sich künftig vielleicht noch etwas mehr
getrauen, das Schulgesetz konsequent anzuwenden, wenn es um unentschuldigtes
Fernbleiben von Schülerinnen und Schülern geht. Dabei wünscht sich Grolimund,
dass besonders im Umgang mit Urlaubsgesuchen die geltenden Regeln angewendet
werden. «Mir scheint, beim Gewähren von Urlauben herrscht manchmal ein
richtiges Jekami», sagt Grolimund. Während in vielen Gemeinden mit
Urlaubsgesuchen restriktiv umgegangen werde und Eltern, die ihre Kinder länger
als erlaubt in die Ferien schicken, entsprechend gebüsst werden, gebe es auch
Schulpflegen, die da immer wieder auch ein Auge zudrückten.
Dabei gebe das Schulgesetz genau vor, was Eltern
dürfen und die Schulpflege muss: Wenn Eltern ihre Kinder länger als drei Tage
von der Schule fernhalten, muss die Schulpflege von Amtes wegen Strafanzeige
bei der Staatsanwaltschaft erstatten und nötigenfalls Meldung an die Kinder-
und Erwachsenenschutzbehörde machen. Die Eltern sind mit einer Busse von
mindestens 600 Franken bis höchstens 1000 Franken, im Wiederholungsfall mit
einer Busse von mindestens 1000 bis 2000 Franken zu bestrafen. Dass diese
gesetzliche Vorgabe auch für Projektwochen gilt, hat das Bezirksgericht Bremgarten
gestern mit seinem Urteil bestätigt.
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