Die
Schwachstellen der Bildungspolitik in Deutschland nahm das NZZ-Podium Berlin
unter die Lupe. Für die deutschen Liberalen stehen dabei die Lehrkräfte im
Mittelpunkt, dieser Beruf müsse wieder attraktiver werden.
Das deutsche Bildungssystem steht vor einer Reihe von Herausforderungen:
marode Schulgebäude, Lehrermangel, Digitalisierung. Diese und weitere Aspekte
standen beim NZZ-Podium Berlin, das am Mittwoch in der Landesvertretung
Baden-Württemberg in der deutschen Hauptstadt stattfand, zur Diskussion.
Michael Schoenenberger, Leiter der lnlandredaktion der NZZ, moderierte die
Gesprächsrunde zum Thema Bildung.
In seiner Einführung ging der österreichische Philosoph und
Kulturpublizist Konrad Paul Liessmann mit den Bildungspolitikern hart ins
Gericht. Statt um Inhalte drehten sich die Debatten meistens um
Strukturreformen. Der Pisa-Test sei ein untaugliches Mittel, um den Erfolg
eines Bildungssystems zu messen, weil er fachlich zu einseitig ausgerichtet
sei. Liessmann, der als Professor an der Universität Wien lehrt, sprach sich
weiter für einen massvollen und altersgerechten Einsatz von digitalen Medien im
Unterricht aus.
Gegen den Pisa-Test, für eine bessere Lehrerausbildung, NZZ, 6.10. von Ricardo Tarli
Eine Modernisierung auf allen Ebenen sei nötig, sagte Nicola Beer,
Generalsekretärin der deutschen Liberalen. Für sie stehen die Lehrkräfte im
Fokus, weil sie der Schlüssel zum Erfolg seien. Deshalb sei es wichtig, die
Aus- und Weiterbildung der Pädagogen weiter zu verbessern. Der Lehrerberuf
müsse wieder an Attraktivität gewinnen, beispielsweise mit einer
leistungsabhängigen Besoldung. Die FDP-Politikerin forderte die Aufhebung des
Kooperationsverbotes, wonach der Bund nur in Ausnahmefällen Einfluss auf die
Bildungspolitik der Länder nehmen kann. Ein Teil der Einnahmen aus der
Mehrwertsteuer solle künftig in die Bildung fliessen. Die neu gewählte
Bundestagsabgeordnete plädierte zudem für eine grössere Autonomie der Schulen.
Ein grösserer Handlungsspielraum erleichtere die Umsetzung individueller
Massnahmen.
Ohne gleiche Bildungschancen für alle könne ein gutes Bildungssystem
nicht funktionieren, stellte Raed Saleh klar. «Wir produzieren ständig
Bildungsverlierer», sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Berliner
Abgeordnetenhaus. Die soziale Herkunft sei für den Bildungserfolg von Kindern
und Jugendlichen in Deutschland noch immer entscheidend. Viele junge Menschen
fühlen sich abgehängt und haben keine Aufstiegsperspektiven. Er warnte vor
Parallelgesellschaften. Deshalb müsse die Schule als Ort der Integration
gestärkt werden.
Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, gab zu bedenken, dass nur durch
Selektion und Wettbewerb das akademische Niveau hochgehalten werden könne. Man
dürfe Chancengleichheit nicht mit «Ergebnisgleichheit» verwechseln. Auf die
Digitalisierung angesprochen, merkte er an, dass das Medium nur Mittel zum
Zweck sei. Entscheidend für den Erfolg eines Bildungssystems sei die
Lehrperson, nicht der Computer.
Gerd Woweries, Geschäftsführer der Berliner Verbundausbildung bei ABB,
beklagte Bildungslücken bei den Schulabgängerinnen und Schulabgängern. Die
Abiturquote in Berlin sei zu hoch, weil das Anforderungsniveau gesunken sei.
Die Berufsausbildung müsse wieder an Attraktivität gewinnen, um dem drohenden
Mangel an Fachkräften entgegenzutreten.
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