7. Oktober 2017

Gegen den Pisa-Test, für eine bessere Lehrerausbildung

Die Schwachstellen der Bildungspolitik in Deutschland nahm das NZZ-Podium Berlin unter die Lupe. Für die deutschen Liberalen stehen dabei die Lehrkräfte im Mittelpunkt, dieser Beruf müsse wieder attraktiver werden.

Das deutsche Bildungssystem steht vor einer Reihe von Herausforderungen: marode Schulgebäude, Lehrermangel, Digitalisierung. Diese und weitere Aspekte standen beim NZZ-Podium Berlin, das am Mittwoch in der Landesvertretung Baden-Württemberg in der deutschen Hauptstadt stattfand, zur Diskussion. Michael Schoenenberger, Leiter der lnlandredaktion der NZZ, moderierte die Gesprächsrunde zum Thema Bildung.

In seiner Einführung ging der österreichische Philosoph und Kulturpublizist Konrad Paul Liessmann mit den Bildungspolitikern hart ins Gericht. Statt um Inhalte drehten sich die Debatten meistens um Strukturreformen. Der Pisa-Test sei ein untaugliches Mittel, um den Erfolg eines Bildungssystems zu messen, weil er fachlich zu einseitig ausgerichtet sei. Liessmann, der als Professor an der Universität Wien lehrt, sprach sich weiter für einen massvollen und altersgerechten Einsatz von digitalen Medien im Unterricht aus.
Gegen den Pisa-Test, für eine bessere Lehrerausbildung, NZZ, 6.10. von Ricardo Tarli


Eine Modernisierung auf allen Ebenen sei nötig, sagte Nicola Beer, Generalsekretärin der deutschen Liberalen. Für sie stehen die Lehrkräfte im Fokus, weil sie der Schlüssel zum Erfolg seien. Deshalb sei es wichtig, die Aus- und Weiterbildung der Pädagogen weiter zu verbessern. Der Lehrerberuf müsse wieder an Attraktivität gewinnen, beispielsweise mit einer leistungsabhängigen Besoldung. Die FDP-Politikerin forderte die Aufhebung des Kooperationsverbotes, wonach der Bund nur in Ausnahmefällen Einfluss auf die Bildungspolitik der Länder nehmen kann. Ein Teil der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer solle künftig in die Bildung fliessen. Die neu gewählte Bundestagsabgeordnete plädierte zudem für eine grössere Autonomie der Schulen. Ein grösserer Handlungsspielraum erleichtere die Umsetzung individueller Massnahmen.

Ohne gleiche Bildungschancen für alle könne ein gutes Bildungssystem nicht funktionieren, stellte Raed Saleh klar. «Wir produzieren ständig Bildungsverlierer», sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die soziale Herkunft sei für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen in Deutschland noch immer entscheidend. Viele junge Menschen fühlen sich abgehängt und haben keine Aufstiegsperspektiven. Er warnte vor Parallelgesellschaften. Deshalb müsse die Schule als Ort der Integration gestärkt werden.

Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, gab zu bedenken, dass nur durch Selektion und Wettbewerb das akademische Niveau hochgehalten werden könne. Man dürfe Chancengleichheit nicht mit «Ergebnisgleichheit» verwechseln. Auf die Digitalisierung angesprochen, merkte er an, dass das Medium nur Mittel zum Zweck sei. Entscheidend für den Erfolg eines Bildungssystems sei die Lehrperson, nicht der Computer.
Gerd Woweries, Geschäftsführer der Berliner Verbundausbildung bei ABB, beklagte Bildungslücken bei den Schulabgängerinnen und Schulabgängern. Die Abiturquote in Berlin sei zu hoch, weil das Anforderungsniveau gesunken sei. Die Berufsausbildung müsse wieder an Attraktivität gewinnen, um dem drohenden Mangel an Fachkräften entgegenzutreten.


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