Der
Artikel (in der TZ vom 15.5.) suggeriert, dass Kinder mit einer Behinderung in
der Schweiz einen bedingungslosen Anspruch auf den Besuch einer Regelschule
hätten, dies in Folge der vor drei Jahren ratifizierten
UNO-Behindertenrechtskonvention. Gemäss dieser müssen «die Vertragsstaaten ein
integratives Bildungssystem für Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen
gewährleisten.» Für die Autoren des Artikels ist damit klar, dass
beispielsweise auch Kinder mit Trisomie 21 Regelklassen besuchen sollten und
das Führen von Sonderschulen oder Kleinklassen konventionswidrig ist.
Sonderschulen mit Konvention vereinbar, Thurgauer Zeitung, 20.6. Leserbrief von René Walcher
Ein
Studium des einschlägigen Artikels 24 besagter Konvention ergibt aber, dass dem
keineswegs so ist. Der Artikel fordert zwar, dass «Menschen mit Behinderungen
Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an
Grundschulen und weiterführenden Schulen haben», damit «ihre Persönlichkeit,
ihre Begabungen und ihre Kreativität» zur Entfaltung gelangen können und dass
die Staaten «mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell
angepasste Unterstützungsmassnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche
schulische und soziale Entwicklung gestattet», anbieten müssen. Diese
allgemeinen Forderungen spezifizieren aber nicht, wie das organisatorisch
umgesetzt werden muss. Ist ein Staat der Meinung, die bestmögliche
gesellschaftliche Integration sei bei bestimmten Kindern mittels der Beschulung
in Kleinklassen oder heilpädagogischen Schulen zu verwirklichen, verstösst er
nicht gegen die Konvention. In der Konvention wird nur vom gleichberechtigen
Zugang zu bestimmten Schulen oder Lehrgängen gesprochen, nicht etwa von einem
bedingungslosen Anspruch darauf. So darf Behinderten der Zugang zu einer
Hochschule aufgrund ihrer Behinderung nicht verwehrt werden. Das wäre
diskriminierend und würde dem Grundsatz der Chancengleichheit widersprechen.
Aber auch sie müssen die geforderten Zulassungsbedingungen erfüllen, wie in
obigem Fall beispielsweise eine bestandene Matura.
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