Bildungsdirektorin Monica Gschwind kann sich
im Ringen um die zukünftige inhaltliche Ausgestaltung der Baselbieter
Sekundarschule nicht durchsetzen. Mit dem Ziel, den Lehrplan der Sekundarschule
mehrheitsfähig zu gestalten, ist sie vorerst im Bildungsrat gescheitert.
Entgegen Gschwinds Vorstellung will der Bildungsrat den neuen Lehrplan und die
Stundentafel nach seiner Vorstellung durchsetzen und möglichst schnell in der
Praxis einführen – vorerst als Provisorium. Der neue Lehrplan und die neue
Stundentafel sollen bereits in einem Jahr in Kraft treten und während dreier
Jahre an den Sekundarschülern ausprobiert werden, bevor sie korrigiert und
definitiv gestaltet werden.
Unnötiger Machtkampf des Bildungsrats, Basler Zeitung, 24.6. von Thomas Dähler
Die
Mehrheit des Expertengremiums hat sich damit gegen die Bildungsdirektorin
durchgesetzt. Mehr noch: Auch der Volksentscheid zugunsten einer Stärkung der
naturwissenschaftlichen Fächer und der Geschichte hat den Bildungsrat nicht
beeindruckt. Dessen ungeachtet hat das Gremium die Stundentafel mit marginalen
Anpassungen in Kraft gesetzt – und sich dabei auch keine Mühe gegeben, die
Absicht zu kaschieren, die verpönten Sammelfächer durch die Hintertüre
einzuführen. Die geplante geringe Stundenzahl für die Fächer Physik, Chemie,
Biologie, Geografie und Geschichte wird die Schulen dazu zwingen, die Fächer
insofern zusammenzuführen, als sie von der gleichen Lehrkraft in freier
Auslegung der Stundentafel zeitlich gestaffelt unterrichtet werden – eine
leicht modifizierte Form der vom Volk abgelehnten Sammelfächer, unter
Missachtung der kritisierten ungenügenden Fachausbildung der Einheitslehrer.
Offen
ist jetzt nur noch, ob der Landrat dagegen vorgehen wird. Eine Möglichkeit dazu
gibt dem Parlament die Motion von Pascal Ryf (CVP), die von Ratskollegen aus
mehreren Parteien mitunterzeichnet ist. Dem Vernehmen nach ist der Vorstoss
mehrheitsfähig. Er verlangt, dass die Promotionsfächer mit mindestens zwei
Wochenlektionen in der Stundentafel figurieren müssen.
Nach
Ansicht des Bildungsrats wäre dies ein massiver Eingriff. In diesem
fortgeschrittenen Stadium der Stundentafelgestaltung hätte dies zur Folge, dass
der Erarbeitungsprozess neu aufgerollt und der gesamte Lehrplan angepasst
werden müsste, heisst es in der von der Regierung übernommenen ablehnenden
Stellungnahme zur Motion. Es wären damit «alle bisherigen Planungen obsolet»,
meint der Bildungsrat. Der Landrat hat letzte Woche die Behandlung des
Vorstosses um zwei Wochen verschoben, um dem Bildungsrat die Gelegenheit zu
geben, im Gespräch einen Kompromiss zu finden. Das ist nicht geschehen. Die
Antwort des Bildungsrats diese Woche liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig: Er hat beschlossen, den neuen Lehrplan auf das Schuljahr 2018/19 in
Kraft zu setzen, angelehnt an die verabschiedete Stundentafel. Zu einem Gespräch
mit der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission des Landrats und mit den
Unterzeichnern der Motion von Pascal Ryf ist der Bildungsrat erst nach den
Sommerferien bereit – und dies obwohl der Landrat die Motion bereits nächsten
Donnerstag behandelt. Von einem ergebnisoffenen Gespräch ist ohnehin nicht die
Rede: Dieses soll bloss «zur Gewährleistung der Planungssicherheit der
Sekundarschulen» dienen, steht in der Medienmitteilung. Mit anderen Worten: Der
Bildungsrat will in dem Gespräch die Landräte davon überzeugen, dass sie, auch
wenn sie der Motion Ryfs zustimmen, die Stärkung der Naturwissenschaften und
der Geschichte nicht gesetzlich zementieren sollten. Klar: Es wären sonst «alle
bisherigen Planungen obsolet». Damit zeichnet sich ab, dass der Bildungsrat
nicht nur die Auseinandersetzung mit Bildungsdirektorin Monica Gschwind sucht,
sondern auch jene mit dem Landrat.
Zweifellos
erhofft sich der Bildungsrat, dass mit der schnellen Umsetzung von Lehrplan und
Stundentafel eine Entwicklung zementiert wird, die sich nicht so schnell
rückgängig machen lässt. Das Seine dazu beigetragen haben dürfte auch der
Umstand, dass die Amtszeit der heutigen Mitglieder des Bildungsrats schon im
nächsten Jahr ausläuft. Und es ist unwahrscheinlich, dass der Landrat in seiner
jetzigen Zusammensetzung den Bildungsrat unverändert wiederwählt.
Der
Kurs des Baselbieter Bildungsrats steht völlig quer in der Landschaft. Eine
Förderung der Naturwissenschaften und der ICT ist ein Gebot der Stunde – vor
allem im Hinblick auf den Bedarf an Fachkräften. Auch die Rektoren der
Baselbieter Gymnasien hatten kritisiert, dass die Qualität der Leistungen der
Schülerinnen und Schüler in den Naturwissenschaften mit der neuen Stundentafel
der Sekundarschule leidet. Es ist unverständlich, dass der Bildungsrat nicht
bereit ist, die Gewichtung der Fächer in den Sekundarschulen den Erfordernissen
der Zeit anzupassen. Auf dem Spiel steht mehr als bloss das Unterfangen eines
Expertengremiums, sich gegen die politischen Akteure durchzusetzen.
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