Im Baselbiet wollen zwei Initiativen das sechskantonale
Frühfremdsprachen-Konzept «Passepartout» stoppen, doch Bildungsdirektorin
Monica Gschwind nutzte den ersten Schultag an der Sek Reinach für eine
Gegenoffensive.
"Passepartout": Baselland will aus den Fehlern der Anderen lernen, bz Basel, 15.8. von Michael Nittnaus
Kein «Bonjour», kein «Mesdames et Messieurs», nichts. Die
Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) schlug den Vorschlag der
Schulleitung der Sekundarschule Reinach dankend aus, die Begrüssung der
Journalisten auf Französisch vorzunehmen. Ihre Ausrede: «Als ich zur Schule
ging, wurde mehr Wert auf die Grammatik gelegt als darauf, einfach
drauflosreden zu können.» Ob gewollt oder nicht: Damit traf Gschwind den Kern
der Debatte, die rund um das Frühfremdsprachen-Konzept «Passepartout» entbrannt
ist.
Erster
Passepartout-Jahrgang
Dass in den Kantonen Basel-Stadt,
Solothurn, Bern, Fribourg und Wallis seit Sommer 2011 und in Baselland ein Jahr
später die Schüler bereits in der dritten Primarklasse mit Französisch und in
der fünften mit Englisch beginnen, und die Schulen dabei auf komplett neu
erarbeitete Lehrmittel setzen, sorgt für viel Unmut. Vor allem bei Teilen der
Eltern- und Lehrerschaft, aber auch bei den Bildungspolitikern des Komitees
«Starke Schule Baselland». Letztere reichten diesen Frühling zwei Initiativen
ein, die den Ausstieg Basellands aus dem sechskantonalen Passepartout-Konkordat
und nur eine Fremdsprache auf der Primarstufe fordern.
«Mir war schon länger klar, dass ich zum
Start des Schuljahres 2016/17 deshalb den Schwerpunkt auf ‹Passepartout› legen
möchte», sagt Gschwind später zur bz. Zumal in Baselland am Montag die
ersten Schüler, die 2012 mit Frühfranzösisch begonnen haben, in der
Sekundarstufe angekommen sind. Gschwind wählte die Klasse 1a der Sek Reinach
aus, um den Medien genau diesen Übergang zu zeigen. Nach vier Jahren
Französisch mit dem Lehrmittel «Mille feuilles» sassen also 23 Mädchen und
Knaben in ihrer erster Lektion der 7. Klasse. Symbolisch übergab
Primarlehrerin Barbara Jost den «Passepartout»-Stab an ihre Kollegin der
Sekundarstufe, Stéphanie Hattemer.
Hauptsache
Reden
«Et maintenant en français», waren
Hattemers erste Worte an die 12- bis 14-Jährigen, die sich wohl weniger wegen
dieses Satzes als wegen der vielen Fotografen, Journalisten und Politiker, die
das Klassenzimmer belagerten, eher wortkarg gaben. Sie mussten auf Zettel
gedruckte Aussagen wie «j’habite à Reinach» oder «je fais de la danse» erst
sich selbst zuordnen und dann die Sitznachbarn fragen, welche auf sie
zutreffen. Ob der Fragesatz richtig gebildet wurde, war für Hattemer weniger
wichtig, als zu sehen, dass die Schüler überhaupt miteinander auf Französisch
kommunizierten.
«Mein erster Eindruck war sehr gut», sagte
die gebürtige Französin Hattemer im Anschluss an die Lektion. Schliesslich sei
die 1a eine Klasse des mittleren Leistungszuges E. In der Sekundarschule gehe
es nun darum, die vier Kompetenzen Lesen, Sprechen, Hören und Schreiben
weiterzuentwickeln. Alle vier seien dabei gleich wichtig. «Dass bei
‹Passepartout› in der Primar Grammatik keine Rolle spielt, ist ein Vorurteil,
das so nicht stimmt.» Allerdings werde die Schreibkompetenz nun etwas stärker
in den Fokus rücken.
Lehrmittel
schon verbessert
Das ist auch etwas, das Gschwind betont:
«Passepartout» entwickle sich weiter. Dass Baselland ein Jahr hinter den
anderen Partnerkantonen hinterherhinkt, entpuppt sich so als Vorteil: «Aus den
Erfahrungen der Anderen lernen wir», sagt die Regierungsrätin. Bereits seien
etwa die Lehrmittel angepasst worden, sodass dem Grundwortschatz mehr Beachtung
geschenkt wird. Und auch die Grammatik werde bald gestärkt. Wichtig seien auch
die stetigen Weiterbildungen der Lehrer. «Man muss ‹Passepartout› noch
verbessern», hält Gschwind fest.
Die Übung abzubrechen, bevor überhaupt die
ersten Schüler die obligatorische Schulzeit mit «Passepartout» abgeschlossen
haben, wie es die Initiativen wollen, sei hingegen «sowohl bildungs- als auch
finanzpolitisch nicht zu verantworten», so Gschwind. Sie machte dabei gestern
keinen Hehl daraus, dass sie selbst früher eine Kritikerin war. «Aber einen
vorzeitigen Abbruch ohne Wirkungskontrolle erachte ich für unsere Baselbieter
Schulen als schädlich.» Die erste Zwischen-Evaluation soll 2018 vorliegen, der
grosse Schlussbericht erst 2021.
Gleichwohl: Schon in einem halben Jahr
möchte Gschwind mit den Seklehrern Hearings durchführen. Schliesslich kam die
Kritik aus der Lehrerschaft bisher vor allem von ihnen. Dann wird sich zeigen,
ob – wie es bei den Primarlehrern war – auch bei den Seklehrern die
Begeisterung für «Passepartout» wächst, sobald sie wirklich damit gearbeitet
haben.
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