20. August 2016

Andrang von Flüchtlingen und Zugewanderten

Die Zahl der Asyl suchenden Kinder im Schulalter ist zuletzt stark angestiegen: 8827 Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 16 Jahren waren Ende 2014 schweizweit im Asylprozess. Ein Jahr später waren es 12 046. Und im laufenden Jahr belief sich ihre Anzahl am Stichtag 31. Juli bereits auf 12 060, wie das Staatssekretariat für Migration auf Anfrage bekannt gab. Zählt man noch die anerkannten Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter hinzu, ergibt sich eine Zunahme von 15 476 (2014) auf 19 851 Ende 2015 und 20 652 bis Ende Juli 2016.Das stellt die Schulen vor grosse Aufgaben. Denn die Probleme, die Flüchtlingskinder vielfach mitbringen, summieren sich: Mangelnde Deutschkenntnisse, unsicherer Aufenthaltsstatus, beengte Wohnverhältnisse, erschwerte berufliche Perspektiven der Eltern, kulturelle und religiöse Unterschiede tragen dazu bei, wie das Kantonalzürcher Volksschulamt in einer Broschüre festhält. Einige Flüchtlingskinder leiden zudem an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Zürich braucht mehr ausgebildete Lehrkräfte, Bild: Bruno Kissling
Weiterbildung für Lehrkräfte nötig, Landbote, 18.8. von Matthias Scharrer

Gymnasiumsklasse in Bern
Gleichzeitig stellen die Migrantenkinder aber auch ein Potenzial dar: Einige von ihnen bringen nämlich eine gute Schulbildung mit. Der Kanton Bern lanciertdaher im nun startenden neuen Schuljahr versuchsweise eine Gymnasiumsklasse für Migranten. «Wir wollen jungen Flüchtlingen mit guter Bildung eine Chance geben, ihre Mittelschulkarriere hier fortzusetzen», erklärte der Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) gegenüber der «NZZ am Sonntag». In der neuen «Spezialklasse für Migranten mit Mittelschulniveau» sollen solche Jugendlichen möglichst schnell Deutsch lernen und fit fürs Gymnasium gemacht werden.

Ein solches Angebot existiert im Kanton Zürich nicht – und ist auch nicht geplant, wie die Zürcher Bildungsdirektion auf Anfrage bestätigte. Doch wie werden Flüchtlingskinder im Kanton Zürich in die Schule aufgenommen? Und: Gibt es genug Lehrpersonal mit den dafür nötigen Qualifikationen?

18 Aufnahmeklassen
Solange die schulpflichtigen Kinder in der ersten Phase des Asylverfahrens in einem kantonalen Durchgangszentrum sind, erhalten sie dort in sogenannten «Aufnahmeklassen Asyl» Schulunterricht. Aktuell gibt es laut Bildungsdirektionssprecherin Esther Schaffner kantonsweit 18 Aufnahmeklassen Asyl. Gegenüber dem Stand vor zwei Jahren stelle dies fast eine Verdoppelung dar. «Entsprechend hat sich auch der Bedarf an Lehrpersonen für diese Klassen erhöht», so Schaffner.

Ähnlich präsentiert sich die Situation in der zweiten Phase des Asylverfahrens, in der die Betroffenen auf die Gemeinden verteilt sind: Im letzten Schuljahr wurden im Kanton Zürich neun gemeindeeigene Aufnahmeklassen neu eröffnet – allerdings nicht nur wegen des Eintritts von neuen Flüchtlingskindern, sondern auch von anderen Kindern nicht deutscher Erstsprache, wie Schaffner betont.

Oft in Regelklassen
Nicht alle Flüchtlingskinder kommen in der zweiten Phase in die gemeindeeigene Aufnahmeklasse. Ein grosser Teil der rund 500 Flüchtlingskinder, die gemäss Schaffner im vergangenen Schuljahr auf die Zürcher Gemeinden verteilt wurden, besucht die Regelklassen und erhält ergänzend Unterricht in Deutsch als Zweitsprache (DaZ). «Damit erhöht sich – sowohl für Aufnahmeklassen wie für den DaZ-Unterricht – der Bedarf an geeigneten Lehrpersonen», hält Schaffner fest. Der Kanton biete daher Weiterbildungen für Lehrpersonen an: Zum einen für Deutsch als Zweitsprache mit Schwerpunkt Aufnahmeklassen Asyl; zum anderen Kurse zur Alphabetisierung und zum Umgang mit traumatisierten Kindern.

Zur Frage, ob die dafür nötigen Mittel vorhanden sind, liegen dem Kanton laut Schaffner keine Zahlen vor, weil in der zweiten Asylverfahrensphase die Gemeinden zuständig sind. «Da die Flüchtlinge proportional zu den Bevölkerungszahlen verteilt werden und im Kanton 220 Schul­gemeinden und 500 Schulen bestehen, dürfte die Einschulung in der Regel innerhalb der bereits bestehenden Infrastruktur erfolgen», so die Sprecherin von Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP) weiter. «Bei Bedarf müssen die Gemeinden ihre Lehrerpensen für den DaZ-Unterricht aufstocken.»

Coaching für Lehrbetriebe?
Für jugendliche Migranten auf der Stufe Mittel- und Berufsschulen setze der Kanton Zürich weiterhin auf die integrationsorientierten Berufsvorbereitungsjahre und spezifische Vorlehrklassen. Es müsse aber geprüft werden, wie die Lehrpersonen und die Betriebe zum Beispiel durch Weiterbildungen, Fach­tagungen oder Coaching unterstützt werden können.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen