Kaum stand am Sonntag die Annahme der
Sammelfächer-Vorlage fest, ging bereits das muntere Schwarzmalen los. Baselland
werde nun zur Bildungsinsel, prophezeite etwa das Komitee «Bildungs-Chaos Nein»
in einem Communiqué. Denn die Nachbarkantone würden Sammelfächer einführen, wie
sie der Lehrplan 21 vorsehe – nur Baselland verzichte darauf. Florence
Brenzikofer, Präsidentin der Baselbieter Grünen, warnte, die Schulen könnten
gar nicht mehr genügend Lehrer finden, die zum Beispiel ausschliesslich Chemie
unterrichten. Und auf Twitter enervierte sich Jan Kirchmayr,
Geschäftsleitungsmitglied der SP Baselland: «Muss die Pädagogische Hochschule
jetzt extra Studiengänge für Baselland schaffen?»
Baselland ist reif für die Bildungsinsel, Basellandschaftliche Zeitung, 7.6. von Benjamin Wieland
Ja, das muss die Pädagogische Hochschule, wie sie
der bz bestätigt. Die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP)
zeigte sich jedoch bereits am Abstimmungssonntag zuversichtlich, dass dies
nicht zu grossen Problemen führen würde. «Bei der Ausbildung der Lehrer stehen
wir mit der Pädagogischen Hochschule im Dialog», sagte die Regierungsrätin zur
bz. «Es sind Lösungen in Sicht, sodass beide Wege – Sammelfächer und
Einzelfächer – abgedeckt werden können.»
Kompromiss beschlossen
Die Pädagogische Hochschule präzisiert Gschwinds
Aussagen. Man habe eine gemeinsame Lösung beschlossen, schreibt Alexander
Hofmann, Vizedirektor der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule
Nordwestschweiz (FHNW). Beschlossen habe sie der Regierungsausschuss der vier
Kantone des Bildungsraums Nordwestschweiz, also Baselland, Basel-Stadt, Aargau
und Solothurn. «Die Studierenden werden somit für das Unterrichten in beiden
Varianten ausgebildet.»
Demzufolge ist für die FHNW-Studierenden in Zukunft
Folgendes möglich: Im integrierten Master-Studiengang Sekundarstufe I in der
Bachelor-Phase können sie Integrationsfächer, sogenannte Sammelfächer,
studieren und später, in der Masterphase, entsprechende Einzelfächer. Diese
Kompromiss-Lösung erfüllt laut Hofmann auch die gesamtschweizerischen Vorgaben.
Die neuen Studiengänge werden per Herbstsemester 2017 eingeführt.
Dennoch kommt auf die Pädagogische Hochschule eine
gewichtige Umstellung zu. Denn die Fächer Physik und Chemie sind in der
Ausbildung bereits heute zum Fach Naturwissenschaft verschmolzen. Sie müssen
also wieder separiert werden.
Lehrer beklagen Stundenabbau
Alle diese Umstellungen kosten Geld. Auf gröbere
Kostensteigerungen in der Bildung muss sich Baselland aber wohl trotzdem nicht
einstellen. «Die vierkantonale Lösung ist etwas aufwendiger», schreibt Hofmann.
Die Mehrkosten würden aber von den vier Trägerkantonen der Fachhochschule
gemeinsam getragen.
Bei der Sammelfächer-Vorlage, die vorgestern mit
61 Prozent Ja-Stimmen-Anteil angenommen wurde, sorgte aber auch ein
anderer Aspekt für Diskussionen: Der angebliche Bildungsabbau über die
Hintertür Sammelfächer, den es zu verhindern gelte, wie das Komitee «Starke
Schule Baselland» immer wieder betonte. Das Komitee monierte, dass mit dem
Sammelfach «Räume, Zeiten, Gesellschaften» eine Wochenlektion eingespart werde.
In der Tat war im vom Bildungsrat vorgesehenen Lehrplan Volksschule dieses
Sammelfach eingeplant. Es nimmt die Einzelfächer Geografie und Geschichte auf,
sollte jedoch nur noch mit drei Wochenlektionen dotiert werden statt der
insgesamt vier Stunden, welche die beiden Einzelfächer Geografie und Geschichte
heute zählen.
Bildungsrat muss nicht handeln
Der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB)
zeigt sich überzeugt, dass dieser Abbau nun nicht eintreten wird. «Mit dem Nein
zum Sammelfach ‹Räume, Zeiten, Gesellschaften›», heisst es in der
LVB-Stellungnahme zur Abstimmung, «ist in unserer Wahrnehmung auch ein Nein zum
Abbau in den allgemeinbildenden Fächern Geschichte und Geografie verknüpft.»
Aus diesem Grund fordert der LVB ein «Rückkommen auf die Stundentafel im Sinne
einer Beibehaltung von je zwei Lektionen Geschichte und Geografie pro Woche.»
Ob der Bildungsrat so handelt und die Stundentafel
entsprechend ändert, steht jedoch nicht fest. Alberto Schneebeli, Leiter Stab
und Koordination Bildung bei der Baselbieter Bildungsdirektion, hält es für
«denkbar, dass der Bildungsrat dieses Anliegen aufnimmt und als Konsequenz
dafür eine andere Lektion in der Stundentafel streicht.» Rechtlich zwingend sei
die Rücknahme der Lektionenkürzung aber nicht.
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