Endlich
wagen die Lehrer den Aufstand. Dass gleich zehn von ihnen aufs Mal den Bettel
hinwerfen und das Weite suchen, müsste zum Weckruf für die Politik werden. Seit
20 Jahren wird im Kanton Zürich, und nicht nur dort, auf Kosten der Schüler am
Bildungssystem herumlaboriert. Ob es funktioniert, wird am lebendigen Wesen
ausprobiert. Geht es gut, dann wollen alle die Erfolge einheimsen – geht es
daneben, dann tragen die Kinder die Folgen. Es sei denn, die Eltern springen
ein und machen «Home-Unterricht» oder bezahlen teure Nachhilfestunden.
Gegen den gesunden Menschenverstand - und gegen die Erfahrung, Sonntagszeitung, 5.6. Kommentar von Arthur Rutishauser
Die
Widersprüchlichkeit ist eklatant. Da erzählt einerseits unser Bildungsminister Johann
Schneider-Ammann, die Matur sei inzwischen zu einfach, obwohl die Anforderungen
gegenüber der Zeit, als er selbst seine Maturfeier hatte, deutlich gestiegen
sind; mindestens Englisch muss man heute können. Andererseits wird an den
Volksschulen das Leistungsniveau ständig mit unsinnigen Massnahmen
heruntergeschraubt. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Kids
auch einmal selber denken müssen, und natürlich ist es gut, zuweilen die neuen
Möglichkeiten, die das Internet als Wissensdatenbank bietet, mit den Schülern
zusammen zu erkunden. Aber wer Teenager als Kinder hat oder sich noch erinnern
kann, wie er sich selber in diesem Alter verhielt, der müsste doch eigentlich
leicht erkennen, zu was es führt, wenn man einem Jugendlichen ein iPad in die
Hand drückt und ihn selbstständig lernen lässt: Er geht in die Badi, wenn es
schön ist, oder er macht ein Computerspiel, wenn es regnet.
Warum
es Sinn ergeben soll, dass die Lehrer von ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich
dem Lehren, befreit werden sollen, leuchtet weder von der Praxisseite her ein,
noch gibt es empirische Belege für die Wirksamkeit. Untersuchungen zum Ʈema
sagen das Gegenteil. Und wer würde plötzlich anfangen zu behaupten, es sei
besser, Tennisspielen im Selbstversuch zu erlernen? Aber beim Satz des
Pythagoras soll das gehen? Wenn nun auch noch der Lehrplan 21, in den sich
schon wegen seiner schieren Dicke fast alles hineininterpretieren lässt, zur
Rechtfertigung solcher Unterrichtsformen herangezogen wird, dann lässt das für
die Zukunȑ nichts Gutes erhoffen. Gutes, das bedeutet im Bildungswesen ja
eigentlich Chancengleichheit für alle und das Ziel, für alle Kinder das Optimum
an Bildung anzubieten. So wie es aussieht, führt aber die Entwicklung in die
andere Richtung. Eltern mit einem grossen Portemonnaie werden ihre Kinder
vermehrt aus der Schule herausnehmen und noch häufiger als heute in die
Nachhilfe schicken. Und jene, deren Eltern das nicht bezahlen können, bleiben
sitzen.
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