Das Komitee
gegen den Lehrplan 21 sieht die politischen Rechte der Lehrer eingeschränkt.
Diese hätten Angst, sich öffentlich gegen den neuen Lehrplan auszusprechen.
Offiziell haben sich deswegen jedoch noch keine Lehrer beschwert.
Kritiker sprechen von Maulkörben, Thurgauer Zeitung, 24.3. von Silvan Meile
Kritische
Lehrer müssen zurückbuchstabieren. Einige Thurgauer Lehrpersonen, die sich
deutlich gegen den neuen Lehrplan aussprechen, haben von ihren Schulbehörden
einen Maulkorb verpasst bekommen. Das sagt CVP-Kantonsrat Reto Lagler. Der
Ermatinger gehört dem Komitee der Lehrplangegner an. Dort glaubt man zu wissen,
dass in einzelnen Schulgemeinden auf kritische Lehrer Druck ausgeübt wird, um
sie bereits Monate vor dem Abstimmungskampf über die Lehrplan-Volksinitiative
mundtot zu machen. Deshalb hätten schon bei der Unterschriftensammlung ihrer
Volksinitiative nur die ganz mutigen unter den kritischen Lehrern
unterschrieben.
Obwohl gemäss
Lagler viele Lehrpersonen dem Lehrplan 21 kritisch gegenüberstünden, getrauten
sich keine, diese Meinung öffentlich zu äussern – auch aus Angst, die
Arbeitsstelle zu verlieren. «Dass das aktuelle Diskussionsklima eine offene
Kommunikation der lehrplankritischen aktiven Lehrpersonen nicht zulässt, ist
schade», sagt Lagler. Aufgrund ihrer beruflichen Pflicht, den Entscheidungen
der Schulbehörden und Anweisungen der Schulleitungen Folge zu leisten, sieht er
die politischen Rechte kritischer Lehrer stark eingeschränkt. Lagler sieht gar
die Meinungsfreiheit in Gefahr.
Opposition
gegen Arbeitgeber
Lagler reichte
deshalb im Grossen Rat die Einfache Anfrage «Politische Rechte von Lehrpersonen
vs. Treuepflicht zum Arbeitgeber» ein. Damit wollte er erfahren, wo der
Regierungsrat bei Lehrpersonen die Trennlinie zwischen privaten Äusserungen und
Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber sieht. Der Regierungsrat stellt in
seiner Antwort klar, dass Lehrpersonen ihre Meinung «in den dafür vorgesehenen
Gefässen» frei äussern können. Im Sinne der Treuepflicht werde aber auch
erwartet, dass die von den zuständigen Gremien getroffenen Entscheide von den
Lehrpersonen gegen aussen entsprechend mitgetragen, beziehungsweise vertreten
werden. Allgemein gelte für Staatsangestellte sowieso das Gebot der
Zurückhaltung in Bezug auf die Art und Weise der Meinungsäusserung. «Von einem
Maulkorb für Lehrer zum Thema Lehrplan 21 habe ich aber bisher nur von
Lehrplankritikern gehört», sagt Bildungsdirektorin Monika Knill auf Anfrage.
Die Fragestellung sei aber omnipräsent, wie sehr sich ein Angestellter gegen
den Entscheid seines Arbeitgebers stellen könne.
Noch keine
offiziellen Vorwürfe
«Den Vorwurf
von Lehrern, die finden, ihre freie Meinungsäusserung werde durch
Schulleitungen oder Schulpräsidien eingeschränkt, hören wir immer wieder», sagt
Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau, der kantonalen
Berufsorganisation. So komme es etwa vor, dass ein Lehrer angehalten werde,
seine persönliche Meinung zu einem politischen Thema nicht öffentlich zu
äussern. Bezüglich neuem Lehrplan, von dem die Lehrer direkt betroffen sind,
sei aber bisher noch keine offizielle Beschwerde an Bildung Thurgau gelangt,
sagt Varenne. Nur hinter vorgehaltener Hand geäusserte Vorwürfe seien bislang
bis zu ihr vorgedrungen, sagt die Befürworterin des neuen Lehrplans. Die freie
Meinungsäusserung von Lehrern hält sie hoch: «Auch Lehrpersonen sind
Stimmbürger. Sie müssen ihre politischen Rechte ohne berufliche Konsequenzen
ausüben können und ihre private Haltung öffentlich kundtun dürfen.» An der
nächsten Sitzung der Geschäftsleitung von Bildung Thurgau wolle sie das Thema
traktandieren. Konkrete Fälle könnten jederzeit Bildung Thurgau gemeldet
werden. Wenn aber durch das Volk ein Entscheid gefällt worden sei, müsse dieser
selbstverständlich von allen Lehrern gleich umgesetzt werden.
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