Die Debatte um den Lehrplan21 ist in vollem
Gange. In der Zeitunglandschaft finden sich die kritischen Kommentare oft in
den Leserbriefrubriken, während den Befürwortern viel Raum für ihre Berichte
und Gastkommentare durch die Redaktionen zugebilligt wird. Ausnahme bildet die
Basler Zeitung.
Es dämmert nach überall - am meisten aber beim einfachen Volk, von Markus Niederdorfer, 3.5.
Am 19. April stand ein
Gastkommentar des renommierten Prof. Dr. Rolf Arnold in der NZZ. Er kritisierte darin
das Bildungsverständnis von Türcke und Liessmann, welche vor den verherenden
Folgen für die Schule und Gesellschaft
warnen, wenn die Bildung von einer "input
zu einer output-gesteuerten"
Organisation umgebaut wird. Das Herz dieser neuen Bildung ist der
Konstrukitivismus, oder auf neudeutsch das selbstorganisierte Lernen (SOL). Die
Bildungsinhalte sind sekundär, da auf dem Weg zum Kompetenzzuwachs der Prozess
des Individuums im Zentrum steht. Es geht nicht um Inhalte zu lernen, da diese,
auf Grund der vielen Ablenkungen und der grossen Konkurrenz durch die
Massenmedien, nur eine Kurzlebigkeit im Gedächtnis des Menschen haben. Deshalb
muss das Kind schon möglichst früh lernen, sich gute Wege zu merken, wie
schnell und effizient der Herausfordrung des Alltags, oder besser gesagt des
Momentes, begegnet werden muss, um Erfolg zu haben.
In
den USA wird schon seit Jahren nach diesem Prinzip unterrichtet, und die
Schüler und Schulen getestet. Auf Grund der Scores erhalten die Schüler die
Möglichkeit in eine Schule mit besserem Rating zu wechseln. Schulen, welche bei
den Ratings tiefere Resultate erzielen, werden die finanziellen Mittel gekürzt,
was zur Folge hat, dass das Bildungsangebot runtergefahren werden muss. Das
ganze Programm trägt den zynischen Namen NoChildLeft Behind(NCLF) und wurde
unter Präsident George Bush eingeführt. Dazu gehören auch ständige Tests. Diese
sind output orientiert, das heist, nur die Punktzahl zählt. Die Tests sind im
MulipleChoice design, was zur Folge hat, dass in Nachhilfestunden oder
Schulzimmern die Schüler nur noch auf die Tests vorbereitet werden, denn diese
Systeme folgen einer bestimmten Logik. Wer Erfolg haben will, muss diese kennen
und sich darin üben. Die Folgen sind dramatisch. Diane Ravitch, welche dieses
Programm unter Präsiden Bush als Demokratin und anerkannte Bildungsexpertin im
guten Glauben mitentwickelt hatte, ist längst desillusioniert und unterstützt
die staatlichen Lehrpersonen, im Change zurück zur normalen Schule. Das
Experiment ist gescheitert. Profitiert haben die Verlage, und regierungsnahen Organisationen,
welche die Evaluationen, Testsysteme, Weiterbildungen und das Controlling
bewirtschaften, nicht aber die Lehrperson oder das Kind im Unterricht. Dies ist
ihr Fazit.
Aus Weiterbildungsangebot für
Schulleitungen
Emotionale Führung
Lernen ist Veränderung. Deshalb ist Lernen auch ohne eine
persönliche Standortbestimmung und ohne Mut, sich auch selbst ehrlich zu
evaluieren, möglich. Dies gilt für das
Lernen in Schulen ebenso, wie für diejenigen, die diese Schulen leiten und
gestalten. In diesem Impuls soll der Trend zur „Führung durch Persönlichkeit“
konkret und praxisbezogen erläutert und erfahren werden. Im Vordergrund stehen
dabei die Überlegungen:
• Führungskräfte müssen heute durch die Entwicklung ihrer Teams und eine Begeisterung für die Arbeit und Zielerreichung überzeugen können.
• Eine moderne Führungskraft ist nicht nur fachlich up to date, sondern in ihrer Persönlichkeit offen, selbstreflektiert und zur emotional resonanten Führung in der Lage.
• Sie denkt mehr von ihren Wirkungen her als von ihren eigenen Stärken. Sie verfügt über eine systemische Haltung und kann ihre Interventionen dosiert und flexibel einsetzen.
Diese Sätze stammen von Prof. Dr. Rolf Arnold, Lehrstuhl für Pädagogik und Beirat im Carl Auer Verlag.
Eigentlich ist
damit schon alles gesagt. Die Schule ist schon heute ein Ort, wo Lernen nach
den oben erwähnten Prämissen stattfindet. Die Schweizer Bildung schaut auf eine
lange Tradition der freien Gestaltung des Unterrichtes unter Einbezug der passendsten
Methode. Pestalozzi und der gesunde Menschenverstand lassen grüssen. Lehrpläne und Lehrmittel gaben die grobe
Richtung an. Wenn die Lehrperson sich entscheiden musste, hielt sie sich an die
Vorgaben der Lehrpläne und passte die Unterrichtsinhalte und Lehrmittel den
Möglichkeiten der Schüler an. In den ersten Jahren der Lernbiographie eines
Kindes, steht das Nachahmen im Zentrum. Kinder wollen gleich gut sein, wie die
Lehrperson. Diese führt geschickt die Klasse und weiss, wie sie die
Unterrichtmomente gestaltet, so dass ein Gefühl von Vertrauen zum Lerninhalt
und zur Klasse entsteht. Bei beginnender
Adoleszenz sind oft andere Fragen, als die Kompetenzstufen, zu klären. Der
erfahrene Pädagoge weiss, dass nicht alle Schüler gleichzeitig in dieser Entwicklungsphase
stecken und findet den nötigen Raum und die nötige Zeit, um dem einzelnen
Jugendlichen angemessen zu begegnen und durch dieses Wellental zu führen und
eine gute Anschlussslösung - meistens
eine Lehre - zu finden. Professor Arnold
spricht von Führen durch Persönlichkeit, Selbstreflexion aller Beteiligten
stärken, systemische Zusammenhänge kennen und von Konstruktivismus, oder
selbstgesteuertem Lernen als Chance. Seine Heimat ist die Erwachsenenbildung,
Studiengänge und die berufliche – oder betrieblich Weiterbildung in
Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen. Seine Clientel sind Erwachsene.
Das Unterrichten von Schülern der Volkkschule gehört nicht in zu seine
Grundkompetenzen. Als wissenschaftlicher Beitrat im Carl Auer Verlag, befasst er
sich auch mit Changemanagement-Modellen, wie dem Foresight.
Beim sog. Forecast werden die Beobachtungen und Erkenntnisse der
Vergangenheit und Gegenwart unter Nutzung verschiedenster Studien in die
nächsten Jahrzehnte extrapoliert. Auf der Basis dieses Wissens entwickeln
Experten Zukunftsbilder über erwartbare Entwicklungsmuster. In diesem Sinne
explorieren sie mit ihrer Expertise in einem Forecast-Prozess aus den
Erfahrungen und dem Wissen der Gegenwart heraus alternative Zukunftsbilder. Im
Unterschied zu diesem expertenbasierten explorativ-beschreibendem Ansatz des
Forecast setzt der konstruktivistische Foresight- Zugang als »partizipativer
Foresight« auf einen gemeinsamen Entwicklungsprozess aller Stakeholderlder…Fazit: Mit Foresight bezeichnen wir die Anwendung
unterschiedlichster zukunftsorientierter Methoden in einem partizipativen,
strategischen Prozess. Ziel des Foresight ist die Unterstützung langfristig
ausgerichteter Entscheidungen von Organisationen aus Politik, Wirtschaft und
Verwaltung. Im Fokus stehen dabei vor allem Entscheidungen mit starken
Auswirkungen auf ökonomische, ökologische und soziale Faktoren und
Entwicklungspfade unserer Organisationen und Gesellschaften...
(aus dem
foresightmanagement Handbuch2013 https://www.carl-auer.de/fileadmin/carl-auer/materialien/leseprobe/978-3-8497-0011-9.pdf)
Professors Arnolds
Nähe zum Bertelsmann lässt sich mit ein paar wenigen Suchbegriffen auf Google
erschliessen. Der Lehrplan21 entspricht in etwa dem, was unter Fazit
geschrieben steht. Nachdem ich das Buch
gelesen hatte, fand ich die verschiedenen Stakeholders (Beteiligtengruppen).
Die Experten, welche die Lösung auf wissenschaftlichem Terrain vorbereiteten,
die nötige grossräumige Evaluation (PISA 2000), die bestätigt, dass der
Wissensstand der Schüler sehr niedrig sei. Die geschürte politische
Unsicherheit (Fukushima-Effekt), und ein neu kreiertes Vokabular, um den Reformprozess
anzustossen. Es geht ja darum, Marktfelder zu erschliessen, welche in
mittelbarer Zukunft von grossem wirtschaftlichen Nutzen, oder vielleicht nach
New Publicmanagement-Sprache zu Einsparungen bei der öffentlichen Hand führen,
in dem Balast ebgeworfen und Outsourcing betrieben wird. Diese Konzepte sind
mittlerweile bekannt. Es ist auch bekannt, dass sich praktisch kein Spareffekt
aus solchen Umstrukturierungen erzielen liess, wenn nicht drastisch Stellen
abgebaut werden. Obwohl im Buch steht, dass TopDown-Konzepte schwierig seien
umzusetzen und anstelle BottomUp -Wege zum Ziel führen, wird genau dies seit
Jahren mit allen Mitteln verhindert.
Deshalb gehe ich davon aus, dass die BottomUp Phase mit der Umschulung
der Lehrpersonen zu kompetenzorientiertem Unterricht und der Einführungen der
unbrauchbaren obligatorischen Lehrmittel gemeint ist. Man kann Professor Arnold
verzeihen, denn er kennt das schweizerische, föderalistische Staatsgebilde mit
den Rechten und Pflichten des Schweizer Volkes zu wenig. Denn sonst müsste er
alle Bildungspolitiker dazu auffordern, mit den Leuten über die Schule zu
sprechen, deren Meinungen als Stakeholder Gruppe-notabene auch als Gläubiger
der Bildung zu sehen- ernst zu nehmen und gemeinsam den Weg zu gehen. Leider wurde das Schweizer Volk in letzter
Zeit immer wieder mit der Aussage von Sachzwängen, internationalen Verträgen… um
die Möglichkeit der Willens-Durchsetzung durch die Regierung geprellt. Beim Lehrplan21 sollte das nicht wieder
geschehen. In diesem Sinne muss eine BottomUp -Diskussion in der Öffentlichkeit
durch mithilfe aller Medien angestossen werden. Nur diese Form ist einer demokratischen
Gesellschaft würdig, denn diese soll auf Grund ihrer gemachten emotionalen
Erfahrung, die Möglichkeit erhalten aktiv bei Veränderungen
mitzugestalten. Eine kleine Frage noch
zum Schluss. Professor Arnold spricht von dem Kompetenzbegriff (EQR) und
Bildungsstandards. Die Überprüfung der
Wissensstände in den europäischen Schulzimmern -auch in der Schweiz- hat
oberste Priorität. Die Schule nach Lehrplan21 ist eine output-orientiere
genormte Organisationsform. Der Konstruktivismus, führt nach Aussage Arnolds
nicht zu einem überprüfbaren Wissenszuwachs, da der Lernprozess als solcher
schon als Kompetenzerwerb gesehen wird und der Mensch später Entscheidungen
treffen kann, die weit zurück in seine Zeit des selbstorganisierten Lernens
zurückgreifen könnten, aber damals einfach nicht gemessen werden konnten. (Siehe
seine Beiträge zu Konstruktivismus.
In diesem Punkt gebe ich Professor Arnold
recht. Doch er müsste sich mal mit den Kollegen von der Bertelmann Stiftung
treffen und nachfragen, wie diese elektronischen Testingverfahren aufgebaut
sind, denn die Outputs müssen ja besser werden, als sie heute scheinen.
Natürlich freue ich mich auf eine Antwort. Da könnte auch etwas über das Programm
"nochildleftbehind" aus den USA oder das deutsche Generika aus der
Bertelmann Küche "KeinKindZurücklassen" stehen.
Der
Versuch der Heterogänität der Schulkinder durch das Aufbrechen der
Unterrichtsformen in selbstorgnisiertem Lernen und altersdurschmischten Gruppen
ist in den USA kläglich gescheitert. Es
gibt grosse Zweifel anzunehmen, dass es bei uns funktionieren wird. Die ersten
Resultate aus den Gemeinschaftschtschulen stimmen nicht zuversichtlich. Auch
was die Dozenten der Faschhochschulen zu der Lehrmittelsituation schreiben, tönt äusserst beorgniserregend.
Zitat: Prof. Jürgen Oelkers, Institut für
Erziehungswissenschaft, Universität Zürich vom 27. April 2016
"Aber ich gebe zu, Lehrmittel zu entwickeln ist mühsam und braucht
erhebliche staatliche Ressourcen. Wenn die fehlen, hat man Situationen wie in
den Vereingten Staaten. Die Profiterwartung der Verlage definiert die Qualität.
Ein besonderes Problem besteht darin, dass für die Leistungen schwacher
Schülerinnen und Schüler keine brauchbaren Lehrmittel existieren. Die
Lehrerinnen und Lehrer müssen dann selber schauen, wie sie die vorhandenen
Lehrmittel auf diese Gruppe hin aurichten können.
Der Lehrplan 21 setzt, anders als Sie schreiben, keine Lehrmittel
voraus. Vielmehr geht die Erwartung dahin, neue Lehrmittel zu entwickeln, die
lehrplankompatibel sind. Auch das ist leichter gesagt als getan. Ein wahrer
Horror wären Lehrmittel, die einfach nur auf Kompetenzstufen ausgerichtet sind.
Aber diese Frage entscheidet sich erst in den nächsten 5-10 Jahren.“
Mit anderen Worten
heisst das, dass die Lehrmittel, welche in den verschiedensten Verlagen
(kantonale oder private) als Lehrplan21 kompatibel angepriesen werden, den
Ansprüchen der Didaktik -und Pädagigexperten nicht genügen. Und trotz dieses Wissen, kaufen die Kantone
"auf Teufel komm raus" diese neuen Lehrmittel, welche nur zu Frust
und Ärger im Schulalltag der Kinder, Eltern und Lehrpersonen führen. Zum obigen
Zitat passt auch die Aussage eines Didaktikers an der PH in Chur. Er meinte,
dass das Mathematik1-3 des ZLM absolut ungeeignet für die Oberstufe sei.
Wenn ich dies
zusammenfassen müsste, dann würde ich den Lehplan21 geren mint dem Flughafen
Berlin vergleichen. Dabei handelt sich um ein Infrastrukturprojket, welches
zusammen Bundesländerübergreifend hätte realisiert werden sollen. Nach
mehrjähriger Bauzeit startet noch kein Flieger. Es wurden zwar Busse gekauft,
um die Leute zum Flughafen zu fahren, aber jemand hat vergessen, dass es dazu
auch eine Strasse braucht.
Es gibt keinen Grund,
unsere sichere Schule zu verlassen und in eine Grussbaustelle zu wechseln. Da
sind schon zuviele Player, Experten und Politiker unterwegs. Es dämmert nach
vorne - oder Foresight-Konzepte verstehen -
hat jetzt für mich eine neue Bedeutung.
Deshalb wähle ich den Titel "Es dämmert jetzt überall – am meisten
aber beim einfachen Volk."
Dieses kann im Kanton
Graubünden die Doppelinitiative unterstützen und dann mitdikutieren.
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