Sekundar- und Realschüler
vom Fröschmattschulhaus in Pratteln, die als erste im Kanton in
Lernlandschaften eingeteilt wurden, befinden sich auf der Zielgeraden. Zeit,
sich dort umzusehen. An einer Wand in einer Lernlandschaft (Lela), die als
Grossraumbüro für bis 60 Schüler eingerichtet ist, hängen die ersten Trophäen:
Bestätigungen für Schüler, die eine Lehrstelle gefunden haben.
Lernlandschaft in Pratteln. Bild: Jérôme Depierre
Routine anstelle von Faszination, Basler Zeitung, 2.5. von Daniel Wahl
Vier
bis fünf Lehrer führen gemeinsam eine Lela. Von denen gibt es je zwei fürs
Niveau A (Real) und E (Sek). Die Lehrer finden ihre kooperative
Unterrichtsmethode gut und wollen vermutlich genauso wenig zurück wie jene
Lehrer in Frenkendorf, die ohne öffentlichen Diskurs ebenso eine Lela
eingerichtet haben. Bei den Schülern hingegen ist der Zauber verflogen. «Die
vom P (progymnasialer Leistungszug, Anm. d. R.) müssen nicht in eine
Lernlandschaft gehen. Wir E- und A-Schüler aber müssen», beginnt der 15-jährige
Vladir das System im Fröschmattschulhaus zu erklären. Nicht dass er den
Schulverleider hätte kurz vor dem Abschluss. Aber sein Kollege Alessio ergänzt:
«Ich glaube, in der Lernlandschaft ist es anstrengender und etwas langweiliger,
weil man viel mehr selber machen muss.» Attraktiv seien die Input-Stunden, wo
im Klassenverband etwas erarbeitet wird und nicht die Schaffensphasen in den
Lela, heisst es auf dem Pausenhof. Die Lehrer würden sagen, sie spielten
weniger «den Unterhalter», die Kinder organisierten sich eigenständiger.
Etwas
mehr als die Hälfte aller Oberstufenschüler besucht in Pratteln eine Lela. Wer
am Pilotprojekt teilnimmt und wer in eine normale Klasse kommt, können die
Schüler nicht mitentscheiden. Interessanterweise führt dies keineswegs zu
Eifersüchteleien. Das System scheint für die Schüler weder besser noch
schlechter zu sein; die anfängliche Faszination ist der Routine gewichen.
Protokolle als
Schülerkontrolle
Die
Rotation zwischen Input-Stunden, Turn- und Hauswirtschafts- oder
Musikunterricht ist so gross, dass eine Lela fast immer dünn besiedelt ist. Der
grosse Teil der trostlosen mit Lochblech umfriedeten Pulten bleibt unbesetzt,
an denen permanent Regeln vor der Nase hängen wie: «Ich verhalte mich ruhig und
arbeite konzentriert.» Oder: «Ich versuche selber einen Lösungsweg zu finden.»
Musse könnte man sich auch anders vorstellen: weniger kontrolliert, wie es die
Amerikaner machen – etwa im Film «Club der toten Dichter». In Pratteln ist das
Lernen aber von einer grossen Bürokratie begleitet. Es gibt Planungsjournale,
die Schüler müssen ihre Lernfortschritte laufend dokumentieren. Das ist wohl
das Anstrengende, wie Alessio es formuliert hatte.
Ohnehin
ist schriftlicher Organisationsaufwand in der Lela sichtbar. Offenbar, damit
die Kinder nicht durch die Maschen schlüpfen können und die Lehrer die
Kontrolle über Schüler behalten. Was Schüler in diesem Zusammenhang erzählen:
Das selbst organisierte Lernen erfordert einen hohen Grad an Disziplin. Starken
Schülern gelingt dies, schwache geraten am Ende unter Druck. Dann schreiben sie
die Aufgaben schnell ab, um aufzuholen. Der Lerneffekt tendiert dabei gegen
null. Das will die Schule in den Griff kriegen: mit mehr Bürokratie. «Lela sind
verstärkt auf die erfolgreiche Laufbahn der Lernenden ausgerichtet», heisst es
in den Zielen. Es ist der Arbeitsalltag mit Stempeluhren und
Arbeitsprotokollen. Schulabgänger: willkommen in der Wirtschaft, willkommen in
der Verwaltung.
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