Keine Diskussion über Frühfranzösisch in der Deutschschweiz, ohne
dass irgend jemand sagt: «Am besten wäre es sowieso, wenn die Schüler einmal in
die Romandie oder ins Tessin gehen würden.» Der Austausch von Kindern und
Jugendlichen zwischen anderen Landesteilen gilt als Königsweg, um die
Sprachkenntnisse und den Zusammenhalt des Landes zu fördern. Genau dafür gibt
es seit gut dreissig Jahren in allen Kantonen Austauschverantwortliche und
entsprechende Programme.
Geld für Beamte statt für Schüler, Basler Zeitung, 1.4. von Dominik Feusi
Doch
das genügte dem Parlament nicht. Es verankerte vor acht Jahren im
Sprachengesetz die Bestimmung, der Bund könne den Kantonen und Austauschorganisationen
Finanzhilfen gewähren. Und Kann-Formulierungen bei neuen Ausgaben werden
heutzutage ausnahmslos durchgeführt.
Von
Anfang an stand für die Aufgabe die CH-Stiftung der Kantone im Vordergrund, wie
das Bundesamt für Kultur (BAK) in einer Stellungnahme darlegt. An eine
öffentliche Ausschreibung und einen Wettbewerb um den Auftrag hat das BAK
offensichtlich nie gedacht.
Trotzdem
dauerte es nach Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2010 mehr als ein Jahr, bis
eine Leistungsvereinbarung zwischen dem BAK und der CH-Stiftung unterzeichnet
wurde. Als «gemeinsames Ziel» des Bundesamtes und der Stiftung wurde darin eine
Verdoppelung der Teilnehmer bis Ende 2016 vereinbart. Nach drei Jahren sollte
die Leistungsvereinbarung durch ein externes Büro auf seine Wirksamkeit
untersucht werden.
15
Monate bis zum Detailkonzept
Diese
externe Evaluation liegt seit Anfang dieses Jahres dem BAK vor. Sie zeigt auf,
wie das Projekt von Anfang an unter einem schlechten Stern stand. Gemäss
Leistungsvereinbarung hätte die CH-Stiftung dem BAK bis Ende 2011 ein
Detailkonzept vorlegen sollen, wie sie die Aufgaben der Leistungsvereinbarung
erfüllen und das Ziel der Verdoppelung der Teilnehmer erreichen will. Doch
dieses Konzept verzögerte sich. Erst im Mai 2012, also nach 15 Monaten, lag ein
Detailkonzept vor.
Die
Evaluation, welche der BaZ vorliegt, führt das auf den «zähflüssigen»
Entstehungsprozess zurück. Und das Papier war immer noch nicht vollständig. Die
Evaluation kritisiert, das Konzept habe nicht die in der Leistungsvereinbarung
festgehaltenen Informationen enthalten, wie beispielsweise eine Ist-Analyse,
Ziele und Massnahmen. Es gebe ein «Vakuum im Bereich Strategie», was ein
«schwerwiegender Mangel» sei. Längere Passagen des Konzepts seien
«nichtssagend». Einzelne Begriffe wie beispielsweise «Netzwerk» oder
«Vernetzung» würden häufig verwendet, hätten aber keinen konkreten Inhalt. Die
Evaluation kritisiert, dass weder das BAK noch der eingesetzte Beirat dieses
Konzept «im Sinne einer Mängelrüge» zurückgewiesen habe. Das wäre nach Ansicht
der Evaluation «nötig gewesen».
Doch
so nahm das Unheil seinen Lauf. Die Stiftung baute eine Abteilung mit heute
mehr als sieben Vollzeitstellen, verteilt auf neun Personen, auf. Das BAK und
der Beirat veranstalteten Sitzungen und gaben Empfehlungen ab. Die CH-Stiftung
habe die Vorschläge aber «nur beschränkt aufgenommen und umgesetzt», hält die
Untersuchung fest.
Aktivitäten
ohne Wirkung
Vor
allem die kantonalen Austauschverantwortlichen sind mit der Arbeit der Stiftung
unzufrieden. Sie sagten den externen Fachleuten, die Stiftung «lasse sich viel
Zeit» und neige dazu, die «Dinge zu überorganisieren». Es fehle an
«Professionalität» und «Effizienz». Die Million des BAK fliesst gemäss
Evaluation zu 87 Prozent in das Personal und seine Infrastruktur. Die Wirkung
bleibt gering. Die Stiftung habe sich bei Jahreszielen nicht auf Wirkungen
verpflichtet, sondern bloss Handlungen versprochen. Darum habe sie Jahr für
Jahr dem Auftraggeber melden können, sie habe die Ziele erreicht, obwohl die
Wirkung kaum vorhanden gewesen sei.
Kritisiert
wird auch die Webseite des Angebotes (ch-go.ch), auf der man sich kaum
zurechtfinde. Für die drei Sparten des Austausches (obligatorische Schule,
Mittelschule, Berufslehre) wählte man Namen, die einem Interessierten keinen Zugang
zum Inhalt erschliessen. Es sei schwierig, das zu finden, was einen wirklich
interessiere.
Die
Evaluation empfiehlt dem BAK, den Auftrag neu und schlanker zu definieren und
eine Mandatsvergabe an die Erziehungsdirektorenkonferenz oder einen privaten
Akteur zu prüfen. Der Förderbeitrag solle in Zukunft nicht nur der CH-Stiftung,
sondern auch den kantonalen Austauschverantwortlichen zukommen. Das BAK müsse
generell auf «Ergebniswirksamkeit» und «Effizienz des Mitteleinsatzes» achten.
In
einer Stellungnahme erklärt das BAK, dass die Ergebnisse der Evaluation in die
Weiterentwicklung des Sprachaustausches einfliessen würden. Man habe eine
Arbeitsgruppe mit zwei weiteren Bundesstellen, den Erziehungsdirektoren und der
CH-Stiftung gebildet. Welche Empfehlung genau umgesetzt wird, teilte das BAK
nicht mit. Obwohl in der Leistungsvereinbarung die Kündigung bei Schlecht- oder
Nichterfüllung vorgesehen ist, wurde der Auftrag verlängert, um «Zeit für diese
Arbeiten» zu gewinnen. Die Stiftung sandte der BaZ eine gleichlautende
Stellungnahme zu den Vorwürfen der Evaluation. Sie betont ausserdem, die
aktuellen Ressourcen würden «vollumfänglich für die Erreichung des Ziels
eingesetzt».
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