Internet auf dem Pausenplatz, Bild: Arnitorfaso
Internet in Schulen: Eltern wehren sich gegen Dauerbestrahlung, Tages Anzeiger, 12.3. von Carmen Roshard
Heute
verfügt die Hälfte aller Schulhäuser und Kindergärten in der Stadt Zürich über
einen WLAN-Anschluss im Klassenzimmer. Bis 2017 soll die Zahl der WLAN-Sender
an den Schulen auf 2000 verdoppelt werden – bis dann, so sieht es das Projekt
Kits 3 der Stadt vor, sollen alle Schulen kabellosen Zugriff auf das Internet
haben. Rund fünf Millionen Franken hat der Gemeinderat 2013 dafür bewilligt.
Die Aufrüstung stösst
auf Kritik. Insbesondere dass die Sender nicht ausgeschaltet werden können,
löst Unverständnis aus. Etwa bei der grünen Zürcher Gemeinderätin Karin Rykart
Sutter, deren Kinder das Schulhaus Am Wasser besuchen. «Das Schul- und
Sportdepartement nimmt die Auswirkungen von WLAN-Sendern in den Schulzimmern
nicht ernst», findet Rykart. Dass die Accesspoints (AP) nicht ausgeschaltet
werden können, sei nicht tolerierbar. Wenn Kindergarten- und Primarschulkinder
ständig den Strahlen ausgesetzt seien, «nehmen wir negative Auswirkungen auf
die Entwicklung der Kinder in Kauf».
BAG empfiehlt abschalten
Yvonne Gilli, Ärztin und
grüne Nationalrätin aus Wil SG, ist Mitglied einer Arbeitsgruppe Elektrosmog
der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Sie sagt, dass sich «die Hinweise
verdichten», dass Funkstrahlung gesundheitsschädlich sei. Immer wieder würden
Menschen plausibel über WLAN-Unverträglichkeit berichten. Symptome seien zum
Beispiel Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen oder übermässige Müdigkeit.
«Diese Beschwerden sind just für die Leistungsfähigkeit in der Schule
relevant», sagt Gilli. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hält in seinen
Richtlinien zum Umgang mit WLAN fest, dass die Langzeitauswirkungen «ungenügend
erforscht» seien, und empfiehlt, die Sender bei Nichtgebrauch auszuschalten.
Das Zürcher Schul- und
Sportdepartement spricht von einem risikoarmen Einsatz von drahtlosen
Netzwerken. «Selbstverständlich ist der Stadt Zürich die Gesundheit der Kinder
und Jugendlichen, aber auch des Schulpersonals ein wichtiges Anliegen», sagt
Regina Kesselring, Pressesprecherin des Schulamtes. «Aus diesem Grund setzen
wir beim Einsatz von WLAN die Vorgaben des BAG konsequent um.» So müsse der
Abstand zu den Sendern mindestens einen Meter betragen, Notebooks sollen nicht
auf Oberschenkel gelegt und nur zum Arbeiten auf das Pult gestellt werden. Laut
Kesselring gibt es «vereinzelt» kritische Fragen von Lehrpersonen und Eltern
zum Thema.
Sieben Netze in einem
Zimmer
Strahlenexperte Martin
Röösli von der Universität Basel mahnt zur Vorsicht bei Kindern, die noch in
der Entwicklung seien. Auch wenn «bisher nicht nachgewiesen werden konnte, dass
Elektrosmog unterhalb der Grenzwerte Symptome verursacht.» Er empfiehlt
ebenfalls, das WLAN bei Nichtgebrauch abzuschalten. Das geht bei den Sendern in
den Zürcher Schulen aber nicht. Um die Strahlenbelastung zu verringern, erhalte
jedes Schulzimmer einen eigenen AP, argumentieren die Schulbehörden.
Josef Peter von Esmog
Protect, der sich seit 30 Jahren mit dem Thema Elektrosmog beschäftigt, hält
dieses Argument für «Quatsch». Er sagt, WLAN, deren Sender im Schulzimmer
stehen, seien belastend. Zudem müssten die Sender so platziert werden, dass
keine Strahlenkreuzungen mit erhöhten Energiepotenzialen entstünden. Darauf
wurde offensichtlich nicht geachtet: Im Schulhaus Am Wasser in Höngg zum
Beispiel werden in den Klassenzimmern bis zu sieben Netze angezeigt.
Walter Sachs ist
Elektroingenieur, seine Kinder gehen ebenfalls in der Stadt in die Schule. Er
plädiert dafür, Funknetzwerke verantwortungsvoll einzusetzen. Vor allem die
nicht thermischen Auswirkungen betrachtet Sachs als kritisch. Er benutze selbst
verschiedene Funknetzwerke, aber er stelle sie nur ein, wenn er sie wirklich
brauche.
Laut dem Schulamt ist es
nicht sinnvoll, das WLAN auszuschalten. «Das führt unter Umständen dazu, dass
sich die Sendeleistung noch erhöht.» Denn sobald ein AP ausgeschaltet sei,
suchten die Geräte den nächsten, meistens weiter entfernten AP, zum Beispiel
zwei Schulzimmer weiter. Da man wisse, dass die notwendige Sendeleistung mit
der Entfernung des Notebooks zum AP zunehme, «ist das Ausschalten keine
geeignete Lösung.» Sachs sagt, diese Aussage sei bloss für Mobiltelefone
korrekt, für WLAN gelte diese Regel aber nicht. «Hier wird kontinuierlich und
mit konstanter Leistung gesendet.»
Ein Drittel der Lehrerschaft
benützt den Computer im Unterricht ungern, sagt Lilo Lätzsch, Präsidentin des
Zürcher Lehrerverbandes. Diese Lehrpersonen würden WLAN-Geräte im Unterricht
zurückhaltend einsetzen und seien gegenüber der flächendeckenden Ausrüstung mit
WLAN skeptisch. Sie sagt aber auch, dass die Geräte «nun mal nicht mehr aus dem
Alltag wegzudenken sind». Beim Verband Kindergarten Zürich gehe man davon aus,
«dass die Stadt als unser Arbeitgeber einen guten Job macht und alles für die
Gesundheit notwendige unternimmt», sagt Präsidentin Brigitte Fleuti.
Versprechen gebrochen?
Der grüne
Alt-Gemeinderat Ueli Nagel hat 2007 im Gemeinderat ein Postulat mit dem Titel
«Primarschulhäuser, Moratorium für die drahtlose Vernetzung von Computern»
eingereicht. Als Schulvorsteher Gerold Lauber (CVP) drei Jahre später mündlich
versicherte, WLAN sei in den Zürcher Primarschulen «nicht vorgesehen», zog die
grüne Fraktion das Postulat zurück. Jetzt ist Nagel besorgt: «In vielen Studien
wurden biologische Effekte der gepulsten elektromagnetischen Strahlung
gemessen.» Es gebe Hinweise auf DNA-Strangdefekte, defekte und
bewegungsunfähige Spermien, Auswirkungen auf das Blutbild, lokale
Gewebeerwärmungen und Zellveränderungen des Knochenmarks.
Elektrosmogexperten
schlagen deshalb vor, die flächendeckende WLAN-Ausrüstung der Schulen und
Kindergärten wenn nicht zu überdenken, dann mindestens sorgfältiger zu regeln.
Ein Internetzugang sei während des Unterrichts nur wenige Stunden pro Woche
notwendig, «die restliche Zeit ist das WLAN komplett abzuschalten». Die Pläne
des Schulamts gehen in eine andere Richtung: Es baut an Zürcher Schulen noch
ein weiteres Netz auf. Ein separates WLAN nur für die Lehrkräfte, damit diese
mit ihren eigenen Mobilgeräten ins Internet können.
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