Die heutige Richtzahl für Klassen liegt bei 25 Schülern, Bild: Georgios Kefalas
Kleine Klassen, grosse Kosten, NZZ, 17.10 von Florian Schoop
Am 30. November muss das Zürcher Stimmvolk gleich
über zwei Bildungsfragen entscheiden. Vors Volk kommen die 2012 eingereichte
Klassengrössen-Initiative der EVP sowie der Gegenvorschlag der Kommission für
Bildung und Kultur (KBIK) des Kantonsrats. Dabei geht es um die Frage, ob die Schülerzahl
pro Klasse auf 20 begrenzt werden soll.
Heterogenität als Problem
Eine solche Obergrenze will das Initiativkomitee,
bestehend aus EVP, SP, dem Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), den
Sekundarlehrkräften des Kantons Zürich sowie dem VPOD Zürich. Gefordert werden
Entlastungsmassnahmen, sobald eine Klasse 20 Schülerinnen und Schüler oder mehr
umfasst. Die heutige Richtzahl von 25 Kindern und Jugendlichen in einer Klasse
sei deutlich zu hoch. Dass heute erst ab dem 29. Schüler Entlastungsmassnahmen
ergriffen würden, sei nicht mehr zeitgemäss, hiess es am Donnerstag an einer
Medienkonferenz der Initianten (siehe Kasten). Eine Anpassung dieses Werts sei
aus drei Gründen nötig: Klassen seien heute viel heterogener, Kinder und
Jugendliche wiesen oft unterschiedliche Lernstände auf, und Schüler mit
Lernbehinderungen würden heute in die Regelklassen integriert. Kleinere Klassen
führten zu einem besseren Lernerfolg, finden die Initianten. Dadurch könnten
Lehrpersonen die einzelnen Schüler intensiver betreuen.
Das sieht der Grossteil des Zürcher Kantonsrats
anders. Er hat im Juni den Gegenvorschlag der KBIK mit 98 zu 70 Stimmen
angenommen. Darin ist ein leichtes Absenken des festgeschriebenen
Durchschnittswerts für die Schülerzahl pro Lehrerstelle vorgesehen. So würden
100 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, die in einen kantonalen Pool kommen
würden. Aus diesem könnten sich die Schulgemeinden bei ausgewiesenem Bedarf
bedienen. Die Klassengrösse ist dabei nicht entscheidend. Denn auch für
kleinere Klassen dürften diese Ressourcen beansprucht werden. Die Kosten würden
sich auf 15 Millionen Franken belaufen. 80 Prozent davon müssten die Gemeinden,
20 Prozent der Kanton berappen. Der Gegenvorschlag erlaube es, dort zu löschen,
wo es wirklich brenne, heisst es bei der KBIK. Zudem sei er um ein Vielfaches
günstiger als die Umsetzung der Klassengrössen-Initiative, die Kosten von 120
Millionen Franken verursachen würde. Diese würde bloss nach dem
Giesskannenprinzip verfahren und wäre schwierig umzusetzen. Aber auch die
Folgen seien kaum abzuschätzen, vor allem beim gegenwärtigen Lehrermangel,
immerhin brauche es rund 800 weitere Schulklassen und 1350 zusätzliche
Lehrerstellen.
Diese Kritik sei ungerechtfertigt, findet das
Ja-Komitee, zumal nicht 1350 Lehrpersonen, sondern «nur» deren 1000 benötigt
würden. Auch die Kostenschätzung sei übertrieben. Es sei lediglich mit 89
Millionen statt um die 120 Millionen Franken Zusatzkosten zu rechnen. Die
Ausgaben seien gerechtfertigt, da der Gegenvorschlag zu wenig weit führe. Er
sei lediglich ein Notfallplan. Deshalb hat das Ja-Komitee die Initiative nicht
zurückgezogen - obwohl es dem Gegenvorschlag zustimmte.
«Zu teuer, zu ineffizient»
Die FDP und die SVP lehnen indes die
Klassengrössen-Initiative und den Gegenvorschlag ab. Bei der FDP heisst es, es
sei nicht erwiesen, dass die Qualität durch kleinere Klassen gesteigert werden
könne. «Gegenvorschlag wie Initiative sind ineffizient und kosten die Gemeinden
nur viel Geld», sagt Sabine Wettstein-Studer, FDP-Kantonsrätin und Mitglied der
KBIK. Ohnehin betrage die durchschnittliche Klassengrösse bereits heute 20,7
Schüler. Zudem seien kleine Klassen nicht per se einfacher zu führen. «Eine
Klasse mit 18 Kindern kann mehr Probleme machen als eine mit 24.»
Auch die SVP kritisiert diese Pauschalisierung.
«Eine Qualitätssteigerung durch die Reduktion der Klassengrösse erreichen zu
wollen, ist absurd», sagt SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti, der wie
Wettstein-Studer Mitglied bei der KBIK ist. Andere Kantone hätten bereits
bessere Lösungen. Zudem erlaube der Blick auf das Budget keine solch hohen
Ausgaben. Auch der Gegenvorschlag sei zu teuer. Das Argument der
Initiativbefürworter, man spare immer an der Bildung, sei hingegen falsch. Man
spare nicht an der Bildung, sondern in der Bildung, sagt Zanetti. Denn es werde
zu viel Geld für Nebensächlichkeiten verwendet.
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