2. Oktober 2014

Demontiert Baselland Lehrplan 21?

Dass der Kanton Baselland den Lehrplan 21 ohne Abstriche einführt, könnte schon an der heutigen Landratssitzung in weite Ferne rücken. Das Parlament in Liestal berät über eine Parlamentarische Initiative, die anstelle der im Lehrplan 21 vorgesehenen Sammelfächer die bisherigen Einzelfächer Geschichte, Geografie, Physik, Biologie, Chemie, Hauswirtschaft und Wirtschaft im Bildungsgesetz fest verankern will. Mit einer zweiten Parlamentarischen Initiative will sich der Landrat zudem die Kompetenz geben, selber über die Einführung des Lehrplans entscheiden zu können.

Kantone sind nicht verpflichtet, den neuen Lehrplan zu übernehmen, Bild: Keystone



Der Lehrplan 21 vor der Demontage, Basler Zeitung, 2.10. von Thomas Dähler



Lanciert hat die beiden Parlamentarischen Initiativen Jürg Wiedemann (Grüne), Sekundarlehrer in Allschwil. Die Initiative gegen die neuen Sammelfächer ist mehrheitsfähig: Unterzeichnet ist sie von Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Fraktionen mit Ausnahme der SP. Deshalb dürfte die Überweisung der Initiative an die Bildungs-, Kultur- und Sportkommission reine Formsache sein. Gut möglich, dass auch die zweite Initiative an die Bildungskommission überwiesen wird. Es ist dann an der Kommission, die Gesetzesrevision zu beraten und dem Landrat die Vorlage zu unterbreiten.


Damit hätte es der Landrat in der Hand, die Ausgangslage bei der Debatte um den umstrittenen Deutschschweizer Lehrplan auf eine neue Basis zu stellen. Bildungsdirektor Urs Wüthrich, der im Grundsatz nach wie vor hinter dem Lehrplan 21 steht und diesen auch bereits Mitte 2015 einführen will, bliebe nur noch der Weg über eine Volksabstimmung. Stellt sich die SP-Fraktion hinter ihren Bildungsminister, hat das Volk im nächsten Jahr das letzte Wort.
Wüthrich müsste warten
Es hat Seltenheitswert, dass Landratsmitglieder quer durch fast alle Parteien eine Parlamentarische Initiative lancieren. Mit dem Instrument der Parlamentarischen Initiative ist es möglich, ein Gesetz unter Umgehung der Regierung und der betroffenen Direktion zu verabschieden. Stimmt der Landrat heute Donnerstag der Initiative zu, wäre Bildungsdirektor Wüthrich gezwungen, bis zum entsprechenden Vorentscheid mit der Umsetzung der im Lehrplan 21 enthaltenen Neuerungen zuzuwarten.
Damit könnten Bildungsdirektion und Bildungsrat insbesondere die zusammen mit Basel-Stadt erarbeitete gemeinsame neue Stundentafel nicht einführen. Diese sieht nämlich bereits den Unterricht der neuen Sammelfächer anstelle der traditionellen Fächer Geschichte, Geografie, Physik, Chemie, Biologie, Hauswirtschaft und Wirtschaft vor. In Basel-Stadt werden die geplanten neu erfundenen Fächer «Natur und Technik», «Räume, Zeiten, Gesellschaften» und «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» bereits ab kommendem Schuljahr auf dem Stundenplan stehen – allerdings ist in der Stadt ein fliessender Übergang vorgesehen.
Die im Lehrplan 21 enthaltenen neuen Sammelfächer sind jedoch auch von der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz noch nicht definitiv verabschiedet. Der Lehrplan 21 wird zurzeit überarbeitet. Die Sammelfächer stehen dabei jedoch nach den Angaben der Promotoren des Lehrplans 21 nicht mehr grundsätzlich zur Diskussion. Die Verabschiedung des Lehrplans 21 durch die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz ist Ende Jahr vorgesehen. In den kommenden Monaten soll das Ergebnis der Überarbeitung des Lehrplans vorgestellt werden.
Kantone nicht verpflichtet
Die Kantone sind nicht verpflichtet, den Lehrplan 21 zu übernehmen. Sie sind jedoch gemäss dem Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung zur Schulharmonisierung verpflichtet. Erfüllen können sie diesen verbindlichen Auftrag nur mit einer Angleichung ihrer Lehrpläne. Gelingt dies nicht, kann der Bundesrat Regelungen auf Bundesebene einleiten. Bis heute hat Innenminister Alain Berset jedoch erst die Absicht kundgetan, in der Frage des umstrittenen Französischunterrichts auf Primarschulstufe intervenieren zu wollen, sollten sich die Kantone allein nicht einigen können.


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