Frauen sind anfälliger für Burnout, Bild: Keystone
Wegen Burnout: 400 Lehrer gehen im Aargau in die Beratung
Jeder dritte
Volksschullehrer ist stark Burnout-gefährdet. Zu diesem Schluss kommt eine
Nationalfondsstudie, welche die «SonntagsZeitung» publik machte. Im Aargau
können sich gestresste und überlastete Lehrer bei der Beratungsstelle ask!
Hilfe holen. Abteilungsleiterin Barbara Leu spricht über die steigende Anzahl
Ratsuchender und Lehrpersonen, die während des Gesprächs in Tränen
ausbrechen.
Überraschen Sie
die Ergebnisse der Studie?
Barbara Leu: Nein, in unserer Beratungsstelle machen wir ähnliche Erfahrungen.
Fälle von mangelnder Work-Life-Balance, Erschöpfung, Schlafstörung bis hinzu
Depressionen nehmen auch im Aargau spürbar zu.
Können Sie
Zahlen nennen?
2013 sind knapp
400 Lehrerinnen und Lehrer zu uns gekommen. Das war bislang der absolute
Höhepunkt. 2011 waren es noch rund 300 Fälle. Bei über der Hälfte von ihnen war
die Überlastung ein Thema. Massiv zugenommen haben auch Schlafstörungen.
Es werden kaum
sämtliche gefährdeten Lehrer zu Ihnen in die Beratung kommen.
Die
Dunkelziffer darf nicht unterschätzt werden. Wir wissen nicht, wie viele gar
nicht erst Unterstützung suchen oder dies privat tun. Einige werden auch direkt
von der Schulleitung auf Verhaltensänderungen hingewiesen. Es ist davon
auszugehen, dass es im Aargau noch deutlich mehr Betroffene gibt.
Wie erklären
Sie sich die Zunahme?
Der Beruf ist
vielfältiger geworden. Lehrpersonen müssen hohen Erwartungen von Schülern und
Eltern gerecht werden. Entsprechend häufig sind sie mit Kritik konfrontiert.
Dazu kommen immer mehr administrative Aufgaben, immer mehr Sitzungen. Und:
Burnout hat es zwar schon immer gegeben, heute wird die Krankheit aber
gesellschaftlich akzeptiert statt stigmatisiert. Das hat dazu beigetragen, dass
sich Betroffene früher an uns wenden.
Müdigkeit,
Schlafstörung, Reizbarkeit, Hoffnungslosigkeit – die Liste möglicher Anzeichen
ist lang. Wie soll sich jemand verhalten, der auf ein Burnout zusteuert?
Möglichst rasch
Hilfe in Anspruch nehmen. Wer einmal darunter leidet, kommt nicht so leicht
wieder raus. Je länger man wartet, desto länger dauert es. Bis jemand wieder
Fuss fasst, können Jahre vergehen. Das ist alles andere als lustig, man ist
krank.
Welche
Lehrpersonen holen sich am häufigsten Hilfe?
Den grössten
Teil machen Primarlehrpersonen aus. Doch Burnout lässt sich nicht an eine
einzelne Schulstufe festmachen.
Suchen mehr
junge oder mehr ältere Personen um Rat?
Sowohl als
auch. Die eine Hauptgruppe sind die 26- bis 30-Jährigen, die neu im Beruf sind
und deshalb besonders unter Druck stehen. Die andere grosse Gruppe bilden die
46- bis 60-Jährigen, deren Kräfte teilweise nachlassen oder die sich fragen, ob
sie mit ihren Methoden gegenüber den jüngeren Kollegen noch bestehen können.
Zu welchem
Zeitpunkt kommen die Lehrer in die Beratung?
Das ist
unterschiedlich. Einige kommen früh, andere dann, wenn es schon zu spät ist. Es
gibt Lehrpersonen, die bei uns nur noch weinen, nicht mehr weiterwissen.
Was machen Sie
in solchen Fällen?
Wir empfehlen
den Betroffenen, die Arbeit zu unterbrechen oder sich krank schreiben zu
lassen. Zudem gilt es zu schauen, wie sie unmittelbar unterstützt werden
können. In manchen Fällen reicht aber auch schon, Verhaltensmuster zu ändern
und beispielsweise auch mal Nein zu sagen, sich stärker abzugrenzen.
Die Meldung
überlasteter Lehrer passt nicht mit dem verbreiteten Klischee zusammen: lange
Ferien, hoher Lohn.
Die Ferien sind
lang, das stimmt. Oft ist man sich in der Öffentlichkeit aber nicht bewusst,
dass Lehrer auch in der unterrichtsfreien Zeit arbeiten. Sie haben einen
anforderungsreichen Job.
Beobachten Sie
bei Betroffenen Verhaltensmuster, die unnötigerweise zu mehr Stress führen?
Auch Lehrer
wollen vor allem einen guten Job machen und vergessen dabei oft, dass gut auch
gut genug ist. Manchmal würde es auch einfacher gehen, es muss nicht immer
alles perfekt sein. Die Gefahr besteht, dass sie sich sehr stark unter Druck
setzen – und plötzlich wird alles zu viel.
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