Linguistikprofessorin
Helen Christen plädiert dafür, unsere Mundarten Anderssprachigen gegenüber
selbstbewusst als normale informelle Alltagssprache zu vermitteln. Sie
thematisiert auch «die sprachlichen Konsequenzen der vermehrten Präsenz von
Hochdeutsch in der Deutschschweiz». Ihre Ausführungen möchte ich durch zwei
meines Erachtens bedenkliche Konsequenzen ergänzen: Es gibt immer mehr
Schweizerinnen und Schweizer, die sich ihres gerollten Rs schämen und meinen,
sie müssten das Zäpfchen-R verwenden, wenn sie Hochdeutsch sprechen; eine
Umstellung, die auch bei den «Modellsprechern» von Radio und Fernsehen meist
aufgesetzt wirkt. Noch befremdlicher finde ich die zunehmend praktizierte
Unart, das R als A auszusprechen oder ganz zu verschlucken. Im Bestreben, das
Hochdeutsch der (Nord-)Deutschen nachzuahmen, verwenden mehr und mehr auch
gebildete Schweizerinnen und Schweizer in der indirekten Rede fälschlicherweise
den Konjunktiv II - z. B. er sagte, er wäre (statt sei) krank.
Ich meine
nicht, dass wir unser Schweizer-Hochdeutsch wie Dürrenmatt zelebrieren sollten,
aber wir sollten es ohne lächerliche Verrenkungen selbstbewusst verwenden, denn
nicht nur unsere Dialekte sind «nicht minderwertig» (Christen), sondern auch
unser Schweizer-Hochdeutsch. Leserbrief, NZZ, 2.8. von Manfred Kämpfen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen