Der
Aufwand der Schule für die zweite Fremdsprache in der Primarschule steht in
keinem vernünftigen Verhältnis zum erreichten Resultat. Die Erfahrungen zeigen,
dass mehr als die Hälfte der Schüler mit dem Lernen zweier Fremdsprachen ganz oder
teilweise überfordert ist. Mit nur zwei Wochenlektionen in jeder Fremdsprache
ist es für die Lehrpersonen sehr schwierig, den sprachlichen Aufbau so zu
gestalten, dass auch Schwächere längerfristig dem Unterricht folgen können. Vom
neuen Konzept profitieren hingegen die Sprachbegabten, welche später aber auch
ohne sprachliche Vorkenntnisse in der Sekundarschule rasch vorankommen würden.
Diese Spitzenschüler werden gerne zitiert, wenn es um den Erfolg des frühen
Sprachenlernens geht. Übersehen wird dabei, dass mit diesem sprachenlastigen
Konzept viel zu viele Schüler den Mut und ihre ganze Lernfreude verlieren. Es
nützt nichts, mit immer mehr Förderlektionen Defizite im Französisch oder
allenfalls im Englisch beheben zu wollen, wenn die Schüler ganz andere
Begabungen haben.
Amstutz: "Die Mittelstufe muss sich wieder auf die ganze Farbpalette ihres Bildungsauftrags besinnen".
Quelle: Hanspeter Amstutz
Pädagogisch
gesehen ist das Fremdsprachenkonzept gescheitert. Es hat die ganze
Lehrerbildung mit überspannten Vorstellungen vom spielerischen Lernen auf Trab
gehalten und die Weiterbildung der Lehrpersonen für Jahre in eine bestimmte
Richtung gelenkt. Der Preis für den bescheidenen sprachlichen Gewinn ist zu
hoch, wenn man sieht, welche pädagogischen Bereiche als Folge des ganzen Booms
vernachlässigt wurden. Erst jetzt werden Stimmen wieder lauter, die mehr
Investitionen in Fächer fordern, die Mittelstufenkindern sehr viel mehr bedeuten.
So bietet ein farbiger Unterricht in Natur und Technik unzählige Möglichkeiten,
um Kinder zu begeistern und sie als Nebeneffekt im Deutsch auf anschauliche
Weise weiterzubringen. Die Mittelstufe muss sich wieder auf die ganze
Farbpallette ihres Bildungsauftrags besinnen und die Lehrerpersonen sind für
diese Aufgabe umfassend auszubilden.
Bildungspolitisch
kann die Schule für die schon fast beängstigende Dominanz des Englischen gegenüber
den andern Sprachen nicht verantwortlich gemacht werden. Wenn die englische
Sprache heute in alle Lebensbereiche eindringt und oft inflationär verwendet
wird, kann die Schule kaum stark dagegenhalten. Es hängt auch nicht vom frühen
Beginn des Französischunterrichts ab, ob unser Land seinen Zusammenhalt bewahrt.
Dass ein guter Unterricht in der zweiten Landessprache in der Volksschule
seinen Platz haben muss, steht ausser Zweifel. Falls weiterhin Englisch in der
Primarschule unterrichtet wird, gehört Französisch aber auf die Oberstufe. Es
kann aber auch die umgekehrte Reihenfolge festgelegt werden. Das ist eine
offene Frage. Die Politik kann aber nicht einfach schulferne Forderungen
stellen und stillschweigend akzeptieren, wenn die Pädagogik mit einem schwachen
Sprachenkonzept die Zeche für ein politisches Unbehagen bezahlen muss. Die Primarschule soll ihren Lehrplan so gestalten können,
dass die grosse Mehrheit der Kinder gern zur Schule geht.
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