Lehren
statt erziehen
Basler
Lehrerinnen und Lehrer haben es nicht einfach: Schulanfänger, die noch Windeln
brauchen, vernachlässigte Kinder, die täglich zu spät kommen, Medien-Junkies,
die am Montagmorgen Entzug schieben. Eine Stadt generiert alle Arten von
Schüler. Doch anstatt das Bildungsdepartement die Leute an der Basis stärkt,
investiert es Geld in Hochglanzbroschüren und in alltagsferne Theoretiker, die
ausgeklügelte Konzepte erarbeiten. Und selbstverständlich werden die Lehrer dann
aufgefordert, diese Ideen umzusetzen und dazu Weiterbildungen zu besuchen. Geht
es jedoch um die Qualitätskontrolle dieser Projekte, werden die Theoretiker
zurückhaltend. Sie haben wohl Angst vor der Wahrheit. Denn diese könnte ja
lauten, dass an ihrer Politik etwas falsch läuft.
Die
Schule scheint sich von ihrem Kernthema, dem Unterrichten und fachbezogenen
Erleben im Schulzimmer, immer mehr zu entfernen. Vielmehr sind erziehen und
verändern angesagt. Die Schule hat sich in die Idee verliebt, Kinder beliebig
formen zu können: zu umweltbewussten, tugendhaften, friedfertigen Menschen. Das
führt nicht nur zu einer Überlastung der Lehrerschaft. Mit einer solch
unrealistischen Zielsetzung begibt sich die Bildungsdirektion auf
ideologisches Glatteis und verschreibt sich einem Auftrag, der eigentlich
Aufgabe der Eltern ist. Ganz abgesehen davon, dass wohl noch nie jemand die
Kinder gefragt hat, ob sie das wirklich wollen. Gut möglich, dass ein solch
hektischer Übereifer sie eher lähmt statt fördert und ihnen die Chance nimmt,
herauszufinden, was sie wirklich möchten und was sie brauchen.
Es wäre
eine Erleichterung, wenn die Schule wieder zu ihrer Kernaufgabe zurückkehren
würde: ihren Bildungsauftrag schlicht und schnörkellos zu erfüllen. Auch wenn
die Gesellschaft zunehmend komplexer geworden ist, heisst das nicht, dass sie
dieses Karussell der Vielfältigkeit und Verzettelung mitmachen muss. Sie kann
sich gelassen und dezidiert darauf berufen, dass ihr Kernauftrag das
Unterrichten ist. Doch gerade dafür bleibt den Lehrkräften immer weniger Zeit.
Zu häufig müssen sie sich mit fachfremden Themen herumschlagen: Umwelterziehung
praktizieren, Evaluationen mitmachen, Absprachen mit Förderpersonen
treffen …
So
braucht es in erster Linie Bildungspolitiker, die sich getrauen, wieder auf ein
einfaches, entschlacktes Bildungssystem zu setzen. Nicht mit dem Mainstream zu
schwimmen und jeden fachfremden Bildungskäse mitzumachen, braucht Mut. Doch
unsere Lehrer müssen sich dringend wieder auf das konzentrieren können, wofür
sie ausgebildet sind – das Vermitteln von Fachwissen.
Quelle: Basler Zeitung, 14.10. von Franziska Laur
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen