Das
sagt Lernforscherin Elsbeth Stern über Didaktik:
Schulen setzen zunehmend auf
selbstverantwortetes Lernen statt auf Frontalunterricht. Der richtige Weg?
Ich habe
nichts gegen Frontalunterricht. Es kommt nicht drauf an, ob der Lehrer doziert
oder die Schüler in Gruppenarbeit lernen. Entscheidend ist, dass die Schüler an
ihre Grenzen stossen.
«Nichts gegen Frontalunterricht» Tages-Anzeiger, 5.5. von Tina Huber
Was meinen Sie damit?
Der
Lehrer kann etwa eine schwierige Aufgabe stellen und sagen: «Überlegt euch,
warum ihr diese Aufgabe nicht lösen könnt.» So bringt er die Schüler dazu, sich
mit dem Stoff auseinanderzusetzen, an das anzuknüpfen, was sie wissen. Nur so
lernt man dauerhaft. Wir sollten nicht glauben, dass das mit Computern oder
Gruppenarbeit automatisch besser wird.
Und wenn jemand einfach nicht mit Mathe
zurechtkommt?
Dann
müssen die Lehrer eben dafür sorgen, dass auch schwächere Schüler
Erfolgserlebnisse haben. Gerade in Mathematik lassen sich die
Schwierigkeitsstufen einfach dosieren. Ein Lehrer kann beispielsweise seinen
Schülern zehn unterschiedlich schwierige Aufgaben stellen mit der Aufforderung,
sie sollen sich jene aussuchen, die sie nicht auf Anhieb, aber mit etwas
Anstrengung lösen können.
Also scheitern, damit man zur Lösung kommt?
Genau.
Nur so lernt man dauerhaft. Das ist besonders in den Naturwissenschaften
entscheidend. Unsere Studien haben gezeigt, dass es in der Physik oft nicht an
den Schülern liegt, wenn sie schlecht sind – sondern am Unterricht. Es herrschen
viele falsche Vorstellungen, die aus Alltagserfahrungen kommen. Bei Atomen etwa
denken viele an kleine Teilchen, die aneinanderpappen, weil sie früher mit Lego
gespielt haben. Erst wenn solche Irrtümer geklärt sind, versteht man richtig.
Vor allem intelligente Mädchen lernen so besser.
Warum interessieren sich immer noch so wenige
Mädchen für Physik oder Biologie?
Das ist
in erster Linie eine Frage des Interesses, nicht der Intelligenz: Mädchen
bringen genau dieselben kognitiven Eigenschaften mit wie Knaben. Nur bei den
Hochbegabten sind Knaben leicht übervertreten. Aber man macht es den Mädchen zu
einfach, in den Naturwissenschaften aufzugeben und sich beispielsweise den
Sprachen zuzuwenden, wo sie oft auch begabt sind. Viele Lehrer überlegen sich zu
wenig, wie sie das Interesse der Mädchen für naturwissenschaftliche Fächer
wecken können. Sie müssten stärker auf die spätere Anwendung, beispielsweise im
Umweltschutz oder in der Medizinaltechnik, hinweisen.
Interview:
Tina Huber
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