13. Mai 2018

Musik stört beim Auswendiglernen

In ein paar Tagen Französisch parlieren und dazu erst noch Musik hören? Mais non!
Erfolgreiches Lernen besteht vor allem aus zwei Zutaten: Wiederholung und Fleiss. 
Immer und immer wieder, Tages-Anzeiger 5.5. vonTina Huber


Sie haben schon wieder vergessen, wie man ein pochiertes Ei zubereitet? Einen Schieber jasst? «Tears in Heaven» auf der Gitarre zupft? «Entschuldigung, Sie liegen auf meinem Badetuch» auf Italienisch sagt? Dagegen hilft, leider, nur eines: üben. All die Bücher und Audio-CDs, die Ihnen versprechen, dass Sie Italienisch in 30 Tagen und Portugiesisch nebenbei beim Autofahren lernen, geht nicht, sorry.

So anstrengend und altmodisch es auch klingt: Lernen heisst vor allem wiederholen. Wenn unser Hirn arbeitet, sind unzählige Nervenzellen aktiv, die über Synapsen verbunden sind. Fast wie ein Muskel passt es sich an, verdichtet das Neuronennetz an jenen Stellen, die oft beansprucht werden. Beim Lernen verändern sich die Synapsen: Es bilden sich neue Schaltstellen zwischen den Hirnarealen, andere Synapsen werden stärker, schwächer oder lösen sich auf.

Möchten wir eine neu gelernte Vokabel, ein Musikstück, eine Bewegung vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen, zählt also die Wiederholung. Sprich: ein Wort nicht nur rasch nachschauen, sondern mehrmals aufsagen und aufschreiben und am besten noch Sätze damit bilden.

Musik stört beim Auswendiglernen
Wer von sich sagt, er lerne am besten mit Musik: Das kann nicht sein. Sagt Elsbeth Stern, schweizweit bekannte Professorin für Lehr- und Lernforschung an der ETH Zürich. «Studien zeigen, dass jegliche Ablenkung für das Arbeitsgedächtnis das Lernen beeinträchtigt.» Da Musik und Vokabeln beides akustische Reize sind, kommen sie sich in die Quere. «Die Musik raubt dem Arbeitsgedächtnis einen Teil seiner Kapazität und verhindert, dass die neue Vokabel ins Langzeitgedächtnis übergeht.» Also besser eine halbe Stunde lernen und dann eine halbe Stunde Musik hören.

Neues Wissen basiert immer auf vorhandenem. So sei eine neue Idee nichts anderes als die Verbindung zweier Gedanken, die vorher noch nie auf diese Weise kombiniert wurden, sagt Stern. Als würden wir zum ersten Mal zwei bestimmte Schubladen in unserem Hirn gleichzeitig öffnen.


Wer viel weiss, lernt deshalb leichter. Doch altes Wissen kann auch behindern: etwa, wenn wir Französisch lernen und uns dabei stets italienische Ausdrücke in den Sinn kommen. Deshalb treffe die Beschreibung «das ist wie Velofahren, man verlernt es nicht» vor allem auf motorische Fähigkeiten zu, sagt Stern. Sprachen hingegen sind interferenzanfälliger, das heisst, es kommen mit den Jahren ähnliche sprachliche Reize dazwischen, die stören. Stern vergleicht hier Velofahren mit einem «Feldweg, der in all den Jahren von etwas Unkraut überwuchert wird». Eine Sprache hingegen, die man lange nicht gesprochen hat, sei eher «wie ein Feldweg, der von einer Autobahn überlagert wird».

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