8. Mai 2018

Gegenvorschlag zur Bündner Fremdspracheninitiative

Die Anzahl der Vorschläge rund um den Fremdsprachenunterricht in der Volksschule wird erhöht. Der neuste Vorschlag kommt aus der Kommission für Bildung und Kultur des Grossen Rates. Wie die Standeskanzlei gestern mitteilte, schlägt eine Kommissionsminderheit vor, dass auf der Primarschulstufe nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden soll. Diese Fremdsprache soll aber zwingend eine Kantonssprache sein.
Der Gegenvorschlag wird in der Junisession des Kantonsparlaments beraten. Findet er dort eine Mehrheit, wird er voraussichtlich im September in einer Volksabstimmung der Fremdspracheninitiative gegenübergestellt.
Nur noch eine Fremdsprache, aber nicht Englisch, Südostschweiz, 8.5. von Stefan Bisculm



Initiative und Gegenvorschlag de-cken sich in einem wichtigen Punkt: Die Zahl der Fremdsprachen, welche auf der Primarschulstufe unterrichtet werden, soll von zwei auf eine reduziert werden. Der Unterschied liegt in der Auswahl der Fremdsprache. Während die Fremdspracheninitiative je nach Sprachregion Englisch oder Deutsch für obligatorisch erklären möchte, käme beim Gegenvorschlag eine Kantonssprache zum Zug.

Drei Parteien, eine Position

Der Gegenvorschlag wurde von Grossrat Roman Hug (SVP) in die Bildungskommission eingebracht. Unterstützt wurde er von Ludwig Waidacher (FDP) und Kommissionspräsidentin Cornelia Märchy-Caduff (CVP). Sieben Kommissionsmitglieder stimmten dagegen. Die Fremdspracheninitiative wurde mit 9:1 abgelehnt.

Die parteiübergreifende Unterstützung für den Gegenvorschlag erklärt sich Märchy-Caduff damit, dass es bei diesem Thema nicht nur um eine politische Frage gehe, sondern auch «um das Wohl der Kinder». Der Gegenvorschlag komme einem grossen Teil der Schulkinder entgegen, indem er diese entlaste. «Zahlreiche Kinder sind bei der heutigen Form des Unterrichts mit zwei Fremdsprachen überfordert», sagt Märchy-Caduff, die selbst als Primarlehrerin unterrichtet.

Die Bündner Regierung hatte im März in ihrer Botschaft zur Fremdspracheninitiative bewusst auf einen Ge-genvorschlag verzichtet. Dass die Bildungskommission einen solchen nun doch noch in die Diskussion einbringt, freut den Urheber der Fremdspracheninitiative. «Ich unterstütze grundsätzlich die Idee des Gegenvorschlags, denn sein Ansatz mit nur einer Fremdsprache ist richtig», sagt Jöri Luzi. Eine Entlastung der Schulkinder ist in den Augen des Klosterser Primarlehrers nicht zuletzt im Hinblick auf die Einführung des Lehrplans 21 unerlässlich. Nach wie vor ist er aber der Meinung, dass Englisch der Vorzug gegeben werden müsse, unter anderem um die interkantonale Mobilität der Bündner Schulkinder nicht zusätzlich einzuschränken. Selbstverständlich werde das Initiativkomitee an der Initiative festhalten, so Luzi weiter.

Sonderfall Graubünden

Die Bündner Regierung anerkennt zwar in ihrer Botschaft ans Parlament, dass mit dem vorliegenden Gegenvorschlag zumindest der Gleichwertigkeit der Kantonssprachen Rechnung getragen würde. Dieses Modell kenne allerdings kein anderer Kanton der Schweiz, Graubünden würde damit zum Sonderfall. Zudem seien in allen Bündner Sprachregionen grosse Kosten und Anstrengungen getätigt worden, um auf Primarschulstufe ab der 5. Klasse einen qualitativ hochstehenden Englischunterricht sicherzustellen. Mit der Annahme des Gegenvorschlags würden sich alle diese Mühen «als Fehlinvestitionen erweisen».

Legr hält sich weiter zurück

Die Bündner Lehrer treten in der Frage der Fremdspracheninitiative nicht mit einer Stimme auf. Bei einer Urabstimmung äusserten sich lediglich 22 Prozent der Verbandsmitglieder zur Vorlage, eine knappe Mehrheit von 53 Prozent sprach sich dabei gegen die Initiative aus (Ausgabe vom 1. Mai). Aufgrund dieses Ergebnisses haben die Delegierten des Verbands Lehrpersonen Graubünden (Legr) entschieden, sich nicht aktiv am Abstimmungskampf zu beteiligen. Der Gegenvorschlag werde daran nichts ändern, erklärt Legr-Präsidentin Sandra Locher Benguerel. Die Churer Primarlehrerin sitzt für die SP auch in der Bildungskommission des Grossen Rates.Die Legr-Geschäftsleitung habe die Idee des Gegenvorschlags zwar vor rund zwei Jahren einmal selbst als gesamtschweizerisches Ziel formuliert. «Diese Position ist inzwischen aber überholt, denn alle Volksinitiativen in anderen Kantonen in diese Richtung wurden abgelehnt», sagt Locher Benguerel.
In den Kantonen Luzern und Zürich sind Initiativen mit nur einer Fremdsprache in der Primarschule klar verworfen worden. Auf Kosten des Englischen gaben beide Initiativen einer Landessprache den Vorzug.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen