Die Anzahl der Vorschläge
rund um den Fremdsprachenunterricht in der Volksschule wird erhöht. Der neuste
Vorschlag kommt aus der Kommission für Bildung und Kultur des Grossen Rates.
Wie die Standeskanzlei gestern mitteilte, schlägt eine Kommissionsminderheit
vor, dass auf der Primarschulstufe nur noch eine Fremdsprache unterrichtet
werden soll. Diese Fremdsprache soll aber zwingend eine Kantonssprache sein.
Der Gegenvorschlag wird
in der Junisession des Kantonsparlaments beraten. Findet er dort eine Mehrheit,
wird er voraussichtlich im September in einer Volksabstimmung der
Fremdspracheninitiative gegenübergestellt.
Nur noch eine Fremdsprache, aber nicht Englisch, Südostschweiz, 8.5. von Stefan Bisculm
Initiative und
Gegenvorschlag de-cken sich in einem wichtigen Punkt: Die Zahl der
Fremdsprachen, welche auf der Primarschulstufe unterrichtet werden, soll von
zwei auf eine reduziert werden. Der Unterschied liegt in der Auswahl der
Fremdsprache. Während die Fremdspracheninitiative je nach Sprachregion Englisch
oder Deutsch für obligatorisch erklären möchte, käme beim Gegenvorschlag eine
Kantonssprache zum Zug.
Drei Parteien, eine Position
Der Gegenvorschlag wurde
von Grossrat Roman Hug (SVP) in die Bildungskommission eingebracht. Unterstützt
wurde er von Ludwig Waidacher (FDP) und Kommissionspräsidentin Cornelia
Märchy-Caduff (CVP). Sieben Kommissionsmitglieder stimmten dagegen. Die
Fremdspracheninitiative wurde mit 9:1 abgelehnt.
Die parteiübergreifende
Unterstützung für den Gegenvorschlag erklärt sich Märchy-Caduff damit, dass es
bei diesem Thema nicht nur um eine politische Frage gehe, sondern auch «um das
Wohl der Kinder». Der Gegenvorschlag komme einem grossen Teil der Schulkinder
entgegen, indem er diese entlaste. «Zahlreiche Kinder sind bei der heutigen
Form des Unterrichts mit zwei Fremdsprachen überfordert», sagt Märchy-Caduff,
die selbst als Primarlehrerin unterrichtet.
Die Bündner Regierung
hatte im März in ihrer Botschaft zur Fremdspracheninitiative bewusst auf einen
Ge-genvorschlag verzichtet. Dass die Bildungskommission einen solchen nun doch
noch in die Diskussion einbringt, freut den Urheber der
Fremdspracheninitiative. «Ich unterstütze grundsätzlich die Idee des
Gegenvorschlags, denn sein Ansatz mit nur einer Fremdsprache ist richtig», sagt
Jöri Luzi. Eine Entlastung der Schulkinder ist in den Augen des Klosterser
Primarlehrers nicht zuletzt im Hinblick auf die Einführung des Lehrplans 21
unerlässlich. Nach wie vor ist er aber der Meinung, dass Englisch der Vorzug
gegeben werden müsse, unter anderem um die interkantonale Mobilität der Bündner
Schulkinder nicht zusätzlich einzuschränken. Selbstverständlich werde das
Initiativkomitee an der Initiative festhalten, so Luzi weiter.
Sonderfall Graubünden
Die Bündner Regierung
anerkennt zwar in ihrer Botschaft ans Parlament, dass mit dem vorliegenden
Gegenvorschlag zumindest der Gleichwertigkeit der Kantonssprachen Rechnung
getragen würde. Dieses Modell kenne allerdings kein anderer Kanton der Schweiz,
Graubünden würde damit zum Sonderfall. Zudem seien in allen Bündner
Sprachregionen grosse Kosten und Anstrengungen getätigt worden, um auf
Primarschulstufe ab der 5. Klasse einen qualitativ hochstehenden
Englischunterricht sicherzustellen. Mit der Annahme des Gegenvorschlags würden
sich alle diese Mühen «als Fehlinvestitionen erweisen».
Legr hält sich weiter zurück
Die Bündner Lehrer
treten in der Frage der Fremdspracheninitiative nicht mit einer Stimme auf. Bei
einer Urabstimmung äusserten sich lediglich 22 Prozent der Verbandsmitglieder
zur Vorlage, eine knappe Mehrheit von 53 Prozent sprach sich dabei gegen die Initiative
aus (Ausgabe vom 1. Mai). Aufgrund dieses Ergebnisses haben die Delegierten des
Verbands Lehrpersonen Graubünden (Legr) entschieden, sich nicht aktiv am
Abstimmungskampf zu beteiligen. Der Gegenvorschlag werde daran nichts ändern,
erklärt Legr-Präsidentin Sandra Locher Benguerel. Die Churer Primarlehrerin
sitzt für die SP auch in der Bildungskommission des Grossen Rates.Die
Legr-Geschäftsleitung habe die Idee des Gegenvorschlags zwar vor rund zwei
Jahren einmal selbst als gesamtschweizerisches Ziel formuliert. «Diese Position
ist inzwischen aber überholt, denn alle Volksinitiativen in anderen Kantonen in
diese Richtung wurden abgelehnt», sagt Locher Benguerel.
In den Kantonen Luzern
und Zürich sind Initiativen mit nur einer Fremdsprache in der Primarschule klar
verworfen worden. Auf Kosten des Englischen gaben beide Initiativen einer
Landessprache den Vorzug.
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