Die Qualität der Schweizer Gymnasien ist hoch. Daran soll sich ebenso
wenig ändern wie am Prinzip, dass die Maturität zum prüfungsfreien Zugang zu
den Universitäten berechtigt – mit Ausnahme des Medizinstudiums. Dennoch sind
die Rektorinnen und Rektoren der Schweizer Mittelschulen in Aufbruchstimmung:
Sie wollen, dass die gymnasiale Ausbildung überarbeitet und fit für die Zukunft
gemacht wird. Das Maturitätsanerkennungsreglement stammt aus dem Jahr 1995 und
wurde 2007 letztmals überarbeitet. Es dient als Grundlage für die kantonalen
Lehrpläne für die Gymnasien und «ist in die Jahre gekommen», wie Marc König,
der Präsident der Konferenz der Gymnasialrektoren (KSGR), sagt.
Mehr Wahlfreiheit am Gymnasium, NZZ, 9.5. von Jörg Krummenacher
Neue Bildungsformate
An ihrer Jahresversammlung in Kreuzlingen hat die Konferenz der Gymnasialrektoren
deshalb eine umfassende Revision der Schweizer Maturität lanciert. «Es braucht
mehr Kern und mehr Wahl», skizziert Marc König die Zielrichtung. Einerseits
sollen die Grundkompetenzen vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik
gestärkt werden. Beim Deutsch soll ein Fokus auf das Textverständnis gerichtet
werden, in der Mathematik auf die Anwendung beispielsweise in den
Naturwissenschaften. Anderseits wollen die Mittelschulen ihren Fächerkatalog im
zweiten Teil des Gymnasiums öffnen und den Jugendlichen mehr Wahlmöglichkeiten
bieten – gerade auch mit Blick auf die spätere Studienrichtung. «Wir brauchen
in einer höchst dynamischen Bildungslandschaft neue Formate», ist König
überzeugt: «Wir wollen weg von einer rückwärtsgewandten Perspektive.»
Noch liegen längst keine fertigen Rezepte oder Konzepte vor. Vielmehr
haben die Rektorinnen und Rektoren ihre Jahresversammlung genutzt, um gemeinsam
mit Vertretern der Schweizer Universitäten eine erste Auslegeordnung für das
Gymnasium der Zukunft und für eine Justierung der gemeinsamen Schnittstellen zu
machen. An weiteren Treffen soll der Dialog vertieft werden, um die Revision
der Maturität in drei bis fünf Jahren realisieren zu können. Einbezogen sind
die weiteren Player im Bildungsbereich: der Verein Schweizerischer
Gymnasiallehrkräfte, die Maturitätskommission sowie die Konferenz der
kantonalen Erziehungsdirektoren samt ihren Mittelschulämtern.
Weiche Faktoren wichtig
Die ersten Diskussionen haben gezeigt: Es bringt wenig, die Gymnasiasten
mit immer mehr Wissen vollzustopfen, die Spezialisierung weiter voranzutreiben
oder mit Blick auf die Digitalisierung allein die technische
Programmierfähigkeit zu fördern. Gefragt sind vielmehr weiche Faktoren: die
Fähigkeit, selbständig zu lernen und in Zusammenhängen zu denken, die Bildung
persönlicher Reife, die stärkere Gewichtung pädagogischer Aspekte. «Es gibt
heute zu viele Studierende, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen»,
stellt Boas Erez fest, der Rektor der Universität der italienischen Schweiz.
Erez hat den Wunsch, den Austausch über sprachliche und kulturelle
Grenzen hinweg zu verstärken, während Pierre Vandergheynst, Vizepräsident Lehre
an der ETH Lausanne, einen Schwerpunkt auf die Förderung von Sozialkompetenz
und Kreativität legen will – auf jene Bereiche also, wo der Mensch dem Computer
überlegen ist (und hoffentlich bleibt). Thomas Bieger, Rektor der Universität
St. Gallen, wehrt sich zudem mit Blick auf das gesamte Bildungswesen gegen ein
Spartendenken: So sollen sich gymnasiale Ausbildung und universitäres Studium
noch verstärkt wie ein Reissverschluss ineinanderfügen.
Lehrer nur mit Uni-Abschluss
In diesem Sinn haben die Gymnasialrektoren an ihrer Jahresversammlung am
Dienstag auch eine Stellungnahme zuhanden des Bundes verabschiedet: Sie halten
einstimmig daran fest, dass Gymnasiallehrpersonen ein universitäres
Hochschulstudium absolviert haben müssen. Damit erteilen sie Plänen eine
Abfuhr, auch Fachhochschulabsolventen für Lehrdiplome an Mittelschulen
zuzulassen, etwa in den Bereichen Informatik, Chemie oder Sport.
Die Kenntnis universitärer Gegebenheiten seitens der Lehrerschaft ist
laut den Gymnasialrektoren eine unabdingbare Voraussetzung für eine gute
Kooperation zwischen Gymnasien und Universitäten und diene der langfristigen
Sicherung des prüfungsfreien Universitätszugangs für Maturanden.
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