11. Mai 2018

Bessere Grundkompetenzen und mehr Wahlmöglichkeiten am Gymnasium

Die Qualität der Schweizer Gymnasien ist hoch. Daran soll sich ebenso wenig ändern wie am Prinzip, dass die Maturität zum prüfungsfreien Zugang zu den Universitäten berechtigt – mit Ausnahme des Medizinstudiums. Dennoch sind die Rektorinnen und Rektoren der Schweizer Mittelschulen in Aufbruchstimmung: Sie wollen, dass die gymnasiale Ausbildung überarbeitet und fit für die Zukunft gemacht wird. Das Maturitätsanerkennungsreglement stammt aus dem Jahr 1995 und wurde 2007 letztmals überarbeitet. Es dient als Grundlage für die kantonalen Lehrpläne für die Gymnasien und «ist in die Jahre gekommen», wie Marc König, der Präsident der Konferenz der Gymnasialrektoren (KSGR), sagt.
Mehr Wahlfreiheit am Gymnasium, NZZ, 9.5. von Jörg Krummenacher


Neue Bildungsformate
An ihrer Jahresversammlung in Kreuzlingen hat die Konferenz der Gymnasialrektoren deshalb eine umfassende Revision der Schweizer Maturität lanciert. «Es braucht mehr Kern und mehr Wahl», skizziert Marc König die Zielrichtung. Einerseits sollen die Grundkompetenzen vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik gestärkt werden. Beim Deutsch soll ein Fokus auf das Textverständnis gerichtet werden, in der Mathematik auf die Anwendung beispielsweise in den Naturwissenschaften. Anderseits wollen die Mittelschulen ihren Fächerkatalog im zweiten Teil des Gymnasiums öffnen und den Jugendlichen mehr Wahlmöglichkeiten bieten – gerade auch mit Blick auf die spätere Studienrichtung. «Wir brauchen in einer höchst dynamischen Bildungslandschaft neue Formate», ist König überzeugt: «Wir wollen weg von einer rückwärtsgewandten Perspektive.»

Noch liegen längst keine fertigen Rezepte oder Konzepte vor. Vielmehr haben die Rektorinnen und Rektoren ihre Jahresversammlung genutzt, um gemeinsam mit Vertretern der Schweizer Universitäten eine erste Auslegeordnung für das Gymnasium der Zukunft und für eine Justierung der gemeinsamen Schnittstellen zu machen. An weiteren Treffen soll der Dialog vertieft werden, um die Revision der Maturität in drei bis fünf Jahren realisieren zu können. Einbezogen sind die weiteren Player im Bildungsbereich: der Verein Schweizerischer Gymnasiallehrkräfte, die Maturitätskommission sowie die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren samt ihren Mittelschulämtern.

Weiche Faktoren wichtig
Die ersten Diskussionen haben gezeigt: Es bringt wenig, die Gymnasiasten mit immer mehr Wissen vollzustopfen, die Spezialisierung weiter voranzutreiben oder mit Blick auf die Digitalisierung allein die technische Programmierfähigkeit zu fördern. Gefragt sind vielmehr weiche Faktoren: die Fähigkeit, selbständig zu lernen und in Zusammenhängen zu denken, die Bildung persönlicher Reife, die stärkere Gewichtung pädagogischer Aspekte. «Es gibt heute zu viele Studierende, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen», stellt Boas Erez fest, der Rektor der Universität der italienischen Schweiz.

Erez hat den Wunsch, den Austausch über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg zu verstärken, während Pierre Vandergheynst, Vizepräsident Lehre an der ETH Lausanne, einen Schwerpunkt auf die Förderung von Sozialkompetenz und Kreativität legen will – auf jene Bereiche also, wo der Mensch dem Computer überlegen ist (und hoffentlich bleibt). Thomas Bieger, Rektor der Universität St. Gallen, wehrt sich zudem mit Blick auf das gesamte Bildungswesen gegen ein Spartendenken: So sollen sich gymnasiale Ausbildung und universitäres Studium noch verstärkt wie ein Reissverschluss ineinanderfügen.

Lehrer nur mit Uni-Abschluss
In diesem Sinn haben die Gymnasialrektoren an ihrer Jahresversammlung am Dienstag auch eine Stellungnahme zuhanden des Bundes verabschiedet: Sie halten einstimmig daran fest, dass Gymnasiallehrpersonen ein universitäres Hochschulstudium absolviert haben müssen. Damit erteilen sie Plänen eine Abfuhr, auch Fachhochschulabsolventen für Lehrdiplome an Mittelschulen zuzulassen, etwa in den Bereichen Informatik, Chemie oder Sport.

Die Kenntnis universitärer Gegebenheiten seitens der Lehrerschaft ist laut den Gymnasialrektoren eine unabdingbare Voraussetzung für eine gute Kooperation zwischen Gymnasien und Universitäten und diene der langfristigen Sicherung des prüfungsfreien Universitätszugangs für Maturanden.


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