24. April 2018

Problematisches BYOD

An der Kantonsschule Romanshorn müssen die Schülerinnen und Schüler ab nächstem August ganz bestimmte Kleincomputer in den Unterricht mitbringen. Es geht um sogenannte 2-in-1-Hybridgeräte. Bezahlen müssen das die Schülerinnen und Schüler respektive deren Eltern selber. Byod – «Bring your own device», also «Nimm dein Gerät selber mit» – heisst diese Strategie. Das macht nicht nur die Kantonsschule Romanshorn so: In der Kantonsschule Frauenfeld müssen die Schüler seit einigen Jahren eigene Tablets mitnehmen. Auch in den Gymnasien im Kanton St.Gallen arbeiten die Jugendlichen in der Schule vielenorts mit Geräten, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Klar ist: Wenn die Schülerinnen und Schüler eigene Geräte in der Schule verwenden, so ersparen sich die Schulträger Kosten.
Tablet-Zwang an Ostschweizer Schulen weicht kostenlose Schule auf, St. Galler Tagblatt, 23.4. von Carlo Schuler


Bloss: Die Bundesverfassung garantiert ausdrücklich die Kostenlosigkeit des Grundschulunterrichtes. Das hat das Bundesgericht Ende 2017 im Falle des landesweit bekannten «Thurgauer Entscheids» nochmals klar festgehalten. Da stellt sich die Frage, ob Byod im Bereich der Untergymnasien zulässig ist. Immerhin müssen bei Byod die Schüler respektive deren Eltern die Geräte selber berappen. Das Bundesgericht stellt sich auf den Standpunkt, dass der Unterricht an Untergymnasien nicht zum «Grundschulunterricht» gehöre. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Kostenlosigkeit des Unterrichtes. Dies aber ist in der juristischen Lehre nicht unumstritten. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass das Bundesgericht dies eines Tages anders sehen könnte. Stefan Schneider, Rektor der Kantonsschule Romanshorn, sagt, dass es an seiner Schule in Sachen Byod bisher keine negativen Rückmeldungen gegeben habe. «Zudem haben wir für einkommensschwache Eltern einen Fonds, den wir grosszügig einsetzen.» Hinzu komme, dass die Schülerinnen und Schüler ab der 2. Klasse stipendienberechtigt seien.

Pascale Chenevard, Prorektorin der Kantonsschule Frauenfeld, verweist darauf, dass es sich bei einem Gymnasium um ein nichtobligatorisches Schulangebot handle. Dieses sei nicht kostenfrei. Tina Cassidy vom Amt für Mittelschulen des Kantons St. Gallen hält fest, dass der Kanton St.Gallen grundsätzlich der Ansicht des Bundesgerichts folge. Für St. Gallen sei im Bereich der Mittelschulen deshalb nicht das Alter der Jugendlichen massgebend, sondern vielmehr der Schultyp. Sobald ein Schüler die Volksschule verlasse und ein freiwilliges Angebot wie das Gymnasium besuche, sei es legitim, dass für gewisse Kosten die Erziehungsberechtigten aufkommen müssten.

Byod gibt es vereinzelt auch in der Volksschule

Völlig klar ist die Ausgangslage hingegen bei den Volksschulen. Zum Grundschul-unterricht gehören dort selbstverständlich die Primarschuljahre und insbesondere auch drei Jahre auf der Sekundarstufe 1. Da stellt sich die Frage, wie es die Volksschulen in den Kantonen Thurgau und St. Gallen mit Byod halten. Die Schulgemeinden im Thurgau seien selbstständige Körperschaften, erklärt Beat Brüllmann vom Amt für Volksschule des Kantons Thurgau. Entsprechend seien die Gemeinden sehr autonom unterwegs. Eine Nachfrage ergibt, dass auf der Mittelstufe von Amriswil-Hefenhofen-Sommeri das Byod-Prinzip angewendet wird. Laut Markus Bertet, Informatikverantwortlicher der dortigen Schulgemeinde, setzt man aus zwei Gründen auf Byod: «Erstens werden vorhandene Geräte genutzt und zweitens lernen die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit den digitalen Geräten. Diejenigen, die kein eigenes Gerät mitbringen, würden eines von der Schule erhalten.

Ähnlich wie im Thurgau tönt es beim Kanton St.Gallen. Für die Infrastruktur vor Ort seien die lokalen Schulträger verantwortlich, erklärt Alexander Kummer vom St.Galler Amt für Volksschule. Der Kanton habe deshalb keine Übersicht, wer allenfalls ein Byod-Modell umsetze. Sicher setzt die Gemeinde Eichberg in der 5. und 6. Klasse auf Byod. Dies sei auch in diesem Schuljahr der Fall, erklärt Schulleiter Roland Bösch. Gut möglich, dass Byod in Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 noch vermehrt ein Thema werden könnte.

Verpflichtung für Kauf besteht sicher nicht

Auf der Stufe Volksschule ist aber selbstredend klar, dass der Unterricht kostenfrei sein muss. Man könne deshalb von den Eltern nicht verlangen, dass sie ihren Kindern für den Unterricht selber ein Digitalgerät kaufen müssen, sagt denn auch Alexander Kummer. Nun ist es bei Schulen mit Byod-Modell aber oft so, dass jenen Schülern, die kein eigenes Gerät mitbringen, eines zur Verfügung gestellt wird. Ob dieser Ausweg genügt, kann in Frage gestellt werden. Nicht von der Hand zu weisen ist nämlich die Vermutung, dass sich Eltern im Falle von Byod einem latenten Erneuerungsdruck ausgesetzt sehen können. Eltern wollen für ihre Kinder bekanntlich nur das Beste; das kann auch mal das beste Smartphone oder Tablet sein. Hinzu kommt: Jene Kinder, die kein Gerät mitbringen können, sehen sich beim Byod-Ansatz möglicherweise in eine Aussenseitersituation versetzt.

Benjamin Schindler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, erachtet den Byod-Ansatz als problematisch. Dieser weiche das Prinzip der Kostenlosigkeit der Volksschule subtil auf. Wenn die Devise «Bring your own device» gelte, so werde auf alle Kinder subtil Druck ausgeübt, ein solches Gerät anzuschaffen. Faktisch laufe dies auf eine Anschaffungspflicht hinaus. Schindler betont die Bedeutung des erwähnten Verfassungsgrundsatzes. Eine chancengleiche Ausbildung sei die Basis unseres demokratischen Staatswesens.

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