13. Februar 2018

Passepartout: Lieber ein Ende mit Schrecken ...

Der Landrat will das Fremdsprachenprojekt Passepartout beenden. Überraschend und deutlich hat er letzten Donnerstag die nichtformulierte Initiative der Starken Schule Baselland angenommen. Damit ist die ursprünglich für nächsten Juni geplante Volksabstimmung nicht mehr nötig: Der Landrat wird den Ausstieg jetzt zuerst gesetzlich verankern müssen.
Ein Signal über den Kanton hinaus, Basler Zeitung, 13.2. von Thomas Dähler
Baselland steigt aus Passepartout aus, 13.2. SRF Regional

Vereinbart haben das Projekt Passepartout die sechs Kantone Basel-Stadt, Baselland, Bern, Solothurn, Freiburg und Wallis. Es ist die Grundlage für den Fremdsprachenunterricht in der Reihenfolge Französisch vor Englisch mit der umstrittenen Mehrsprachendidaktik. Die Kritik vor allem am Französisch-Lehrmittel «Mille feuilles» ist dabei seit Einführung immer lauter geworden.

Überraschend ist die Zustimmung zur Initiative im Baselbieter Landrat, weil zuvor nichts darauf hingedeutet hat. Der Regierungsrat lehnte die Initiative ab. Die Bildungs-, Kultur- und Sportkommission empfahl mit acht zu zwei Stimmen, die Initiative mit einer Nein-Parole dem Volk vorzulegen. Und noch 2017 hatte der Landrat eine ähnlich lautende Motion abgelehnt.

Diesmal nützte das Votum der freisinnigen Bildungsdirektorin Monica Gschwind nichts mehr. Gschwind steht dem Projekt Passepartout zwar kritisch gegenüber. Sie plädierte jedoch dafür, die Resultate der Untersuchungen nach Schulabschluss des ersten Jahrgangs mit der neuen Didaktik abzuwarten. Es sei falsch, das Projekt bereits zum jetzigen Zeitpunkt abzubrechen, argumentierte sie – diesmal vergeblich.

Vereitelt wird mit dem Landratsentscheid die für Juni vorgesehene Doppelabstimmung. Stattdessen kommt nur noch die Initiative «Eine Fremdsprache auf der Primarschule genügt» vors Volk. Diese dürfte in Anbetracht der Popularität des bedrohten Englisch-Unterrichts chancenlos sein – wenn die Initiative nicht schon vorher zurückgezogen wird.
Formell läuft die Vereinbarung der sechs Kantone zum Projekt Passepartout im Sommer dieses Jahres aus. Doch der Parlamentsentscheid im Kanton Baselland setzt ein Signal über die Kantonsgrenzen hinaus: So wie bisher gehts nicht mehr weiter. Die Baselbieter Bildungsdirektorin wird gegenüber ihren Amtskollegen in den fünf anderen Passepartout-Kantonen nicht mehr dazu legitimiert sein, weitere finanzielle Mittel in die Mehrsprachendidaktik und in die Ausbildung der Lehrkräfte für den Unterricht mit den umstrittenen Lehrmitteln zu investieren. Immerhin hat der Kanton Baselland bis heute rund 12,5 Millionen Franken für das Projekt in den Sand gesetzt. Die Botschaft an die fünf anderen Kantone lautet: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Baselland hatte bereits vor dem Start des Projekts Passepartout erst im zweiten Anlauf die Variante Frühfranzösisch vor Frühenglisch beschlossen. In Anbetracht seiner geografischen Lage dürften die fünf anderen Kantone deshalb daran interessiert sein, Baselland mindestens bei der Reihenfolge der Fremdsprachen bei der Stange zu halten – schon im benachbarten Aargau ist die Reihenfolge umgekehrt. Es wäre deshalb möglich, dass noch weitere Kantone der Passepartout-Didaktik der Mehrsprachigkeit ein Ende setzen. Nicht nur im Baselbiet unterrichten bereits heute viele Lehrkräfte nicht mehr stur mit den Französisch-Lehrmitteln «Mille feuilles» und «Clin d’œil». Im Unterricht setzen sie längst entweder ergänzende Lehrmittel ein oder arbeiten unerlaubterweise ausschliesslich mit eigenen Materialien.

Diese Praxis dürfte denn auch die Perspektive für die Umsetzung der nichtformulierten Initiative im Baselbiet sein. Ähnlich wie bei früheren solchen Initiativen werden sich Regierung und Landrat nicht stur an den exakten Wortlaut halten – und etwa das darin enthaltene explizite Bücherverbot nicht festschreiben. Wahrscheinlicher ist stattdessen die gesetzliche Verankerung einer Lehrmittelfreiheit für die Lehrkräfte, welche die Frühfremdsprachen unterrichten. Dies könnte im Parlament, in den Schulen und beim Volk auf breite Akzeptanz stossen.


Wenig sinnvoll ist jetzt auch die bereits eingeleitete Aufbesserung von «Mille feuilles». Besser investiert wären diese Mittel in die Adaption von Lehrmitteln, die andernorts in der Deutschschweiz verwendet werden. Aus dem Debakel mit «Mille feuilles» müsste man allerdings lernen und nicht nochmals ganze Generationen zum Versuchskaninchen machen. In mehreren Deutschschweizer Kantonen etwa wird zurzeit das neue Lehrmittel «dis donc!» in einzelnen Klassen ausprobiert – und schrittweise eingeführt, wenn die Probeläufe erfolgreich sind.

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