19. Februar 2018

Aargauer Eingaben zum neuen Lehrplan

Grundsätzliches, Nebensächliches und Kurioses: Über 400 Eingaben wurden bei der Anhörung zum neuen Aargauer Lehrplan für die Volksschule eingereicht. Nachfolgend eine kleine Auswahl von Rückmeldungen und Anregungen, die nicht immer die «grossen» Themen betreffen und ab und zu auch etwas aus dem Rahmen fallen.
Für eine bessere Schule: SVP möchte nicht auf Schnürlischrift verzichten, Aargauer Zeitung, 19.2. von Jörg Meier


Die Anhörung zum neuen Aargauer Lehrplan für die Volksschule stiess auf ein grosses Echo. Über 400 Stellungnahmen erreichten das Bildungsdepartement, wo nun die Abteilung Volksschule die verschiedenen Rückmeldungen auswertet.

Äussern konnten sich Parteien, Organisationen, aber auch Einzelpersonen zu den zentralen Themen wie Stundentafeln, Kostenneutralität oder der Sprachenstrategie. Darüber wurde in dieser Zeitung bereits ausführlich berichtet.

Es war aber auch möglich, zu Details Stellung zu beziehen – eine Chance, die von vielen schulpolitisch Interessierten rege genutzt wurde. Nachfolgend eine kleine Auswahl von Rückmeldungen und Anregungen, die nicht immer die «grossen» Themen betreffen und ab und zu auch etwas aus dem Rahmen fallen. Die Beispiele zeigen zudem, wie unterschiedlich die Ansichten sind, was eine gute Volksschule ausmacht.
Kuriose Eingaben zum neuen Aargauer Lehrplan, eingefangen von AZ-Karikaturist Silvan Wegmann.

Bitte wenig Evolutionstheorie
Der Regierungsrat hat versprochen, nicht einfach den bereits existierenden Lehrplan 21 zu übernehmen, sondern ihn an den Kanton Aargau anzupassen. Das ist nun geschehen.

Doch wie die Anhörung zeigt, sind die Anpassungen nicht überall auf Zustimmung gestossen. So ist etwa die SVP dagegen, dass sich die Aargauer Schülerinnen und Schüler bei der Behandlung der Geschichte des Judentums im Aargau auch mit den ehemaligen Judendörfern im Surbtal befassen.

Einverstanden ist die SVP zwar, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit den Hauptfesten des christlichen Kirchenjahres beschäftigen. Allerdings möchte sie im neuen Lehrplan den Begriff «Osterfestkreis» durch «Ostern» ersetzen.
Die EDU hat ein ganz anderes Anliegen: Sie bittet darum, dass an der Aargauer Volksschule künftig die Schöpfungstheorie höher gewichtet wird als die Evolutionstheorie. Von da ist es nicht weit zur Biologie.
UMFRAGE
Soll die Schnürlischrift an Aargauer Schulen geschrieben werden?
Da stellt wiederum die SVP fest, dass sich Themen wie sexuelle Aufklärung und Sucht nicht für die 1. Klasse der Oberstufe eignen würden. Und beim Fach Ethik, Religionen und Gemeinschaft müsse der Fokus klar auf der christlich-abendländischen Kultur liegen; wobei die SVP der Ansicht ist, man könnte den Berufswahlprozess durchaus auch im Fach Ethik und Religionen ansiedeln.

Weniger Schule für Realschüler
Die SVP bringt noch einen weiteren, eher überraschenden Vorschlag: Sie findet es falsch, dass an der ganzen Oberstufe künftig mehr Lektionen pro Woche unterrichtet werden sollen. Erstens sei man mit der bisherigen Regelung gut gefahren. Und zweitens bringe es nichts, «wenn Schüler mit einer klar geringeren Aufnahmefähigkeit gleich viel Lektionen Unterricht erhalten wie kognitiv starke Schüler.»

Im Klartext bedeutet dies: Realschüler sollen nach Ansicht der SVP gar nicht so sehr mit Schulstoff geplagt werden. Es macht nichts, ist sogar gut, wenn sie weniger Unterricht erhalten als Sekundar- oder Bezirksschüler. Dies allerdings würde klar dem widersprechen, was zum Beispiel die Aargauische Industrie- und Handelskammer am neuen Lehrplan schätzt: «Der Ausbau der Pflichtpensen in Primar- und Oberstufe, am stärksten in der Realschule, ist dringend notwendig.»

Auch was die Schulschrift betrifft, geht die SVP einen eigenen Weg. Sie möchte, dass an der Aargauer Volksschule weiterhin Schnürlischrift geschrieben wird. Ungeachtet der Tatsache, dass nicht nur im Aargau, sondern auch in den andern 20 Kantonen des Konkordates die Basisschrift Einzug gehalten hat und die Schnürlischrift an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz gar nicht mehr unterrichtet wird.

Das Bildungsforum Aargau mit Elfy Roca und Harald Ronge, das mit seiner Initiative den Lehrplan 21 im Aargau verhindern wollte, meldet sich mit einer moderaten Stellungnahme. Das Forum weist auf praktische Konsequenzen hin. So sei es etwa mit der neuen Stundentafel und den neuen Fächern nicht mehr möglich, dass alle Schülerinnen und Schüler lernen könnten, wie man sich eine Mahlzeit selbst zubereitet; das, was vom Fach «Kochen» übrig bleibe, genüge nicht.

Einführung verschieben?
Geradezu dialektisch kommt die Stellungnahme der Gewerkschaft VPOD Aargau daher: Zwar steht der VPOD der Umsetzung des Lehrplans 21 grundsätzlich positiv gegenüber. Trotzdem lehnt er ihn ab. Schuld daran sei das inakzeptable Vorgehen der Regierung, die eine kostenneutrale Umsetzung verlange. Denn die wäre nur durch eine Mehrbelastung der Lehrpersonen und eine schlechtere Betreuung der Kinder zu erreichen.

Zum gleichen Schluss kommt der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (ALV). Er schlägt deshalb vor, dass die Einführung des neuen Lehrplans so lange verschoben wird, bis der Kanton sie sich leisten kann. Den Vorschlag, die Einführung des neuen Lehrplans zu verschieben, bringt auch die Grünliberale Partei (GLP) aufs Tapet.
Allerdings hat sie eine völlig andere Begründung. In den nächsten Jahren wird wohl auch im Aargau die Zeit bis zur Matur von bisher 13 auf 12 Jahre verkürzt. Daher könnte es sinnvoll sein, den neuen Lehrplan und die verkürzte Schuldauer aufeinander abzustimmen und gleichzeitig einzuführen, argumentiert die GLP.

Über aargauspezifische Inhalte mag sich die GLP indes nicht äussern. Denn die ganze weltanschauliche Aufladung des Lehrplans durch eine zu breite und öffentliche Diskussion schade letztlich der Schule. Ob jetzt die Habsburger im Unterricht erwähnt werden oder nicht, sei keine politische Frage, sondern gehöre zum Tagesgeschäft einer Schule.


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