17. Januar 2018

Keine Transparenz bei Basler Schulhaus-Zuteilungen

Im August 2014 sorgte in Berlin ein Artikel in der Berliner Zeitung für Aufsehen: «Zu wenig Erstanmeldungen: Die unbeliebtesten Schulen in Berlin», titelte das Lokalblatt der deutschen Hauptstadt. In dem Beitrag ging es um eine Statistik, aus der die Anmeldezahlen für alle staatlichen Berliner Schulen hervorgingen. Politiker hatten im Parlament eine entsprechende Auskunft verlangt – und sie von der Bildungsverwaltung auch erhalten.
In Basel soll eine solche Transparenz im Bildungswesen nicht hergestellt werden. Das Appellationsgericht unter dem Vorsitz von Stephan Wullschleger (SP) hat eine Verfügung des Erziehungsdepartements bestätigt und damit einen Rekurs der BaZ abgelehnt. Dies bedeutet, dass die Öffentlichkeit keine detaillierten Angaben dazu erhält, an welche der zehn Sekundarschulen es die Basler Schülerschaft zieht – und an welche nicht.
Es sei «nicht zu beanstanden», wenn die Behörden die von der BaZ ersuchten Daten nicht preisgäben, heisst es abschliessend in dem Urteil. «Da der Informationszugang nicht vollständig, sondern nur bezüglich des verpönten Standortbezugs verweigert wurde, erweist sich die Einschränkung auch als verhältnismässig.»
Das Gericht schützt die Praxis von Erziehungsdirektor Cramer. Bild: Dominik Pluess
Zuteilungswünsche bleiben unter Verschluss, Basler Zeitung, 17.1. von Christian Keller

Wunschmöglichkeit seit 2015
Rückblick: Im April 2017 hatte die BaZ beim Basler Erziehungsdepartement angefragt, an welche der zehn Sekundarschulen die Schüler am liebsten eingeteilt werden möchten. Eine solche Wahlmöglichkeit, die für die Schulverantwortlichen allerdings nicht verbindlich ist, besteht seit 2015. Damals wurde ein weitreichender Systemwechsel vorgenommen: Die Orientierungsschule und die Weiterbildungsschule verschwanden, dafür wurde die Sekundarschule mit drei verschiedenen Leistungsniveaus, A (allgemeine Anforderungen), E (erweiterte Anforderungen) und P (hohe Anforderungen), eingeführt.

Wenn die Möglichkeit besteht, bei der Schulzuteilung Wünsche anzugeben, so interessiert natürlich auch, wie diese insgesamt ausfallen. Welche Bildungshäuser stehen hoch im Kurs, und welche werden gemieden?

Die drei Anforderungsprofile A, E und P werden überall angeboten. Unterschiede zwischen den einzelnen Sekundarschulen gibt es jedoch bei der Unterrichtsmethodik, wo der Schwerpunkt auf der traditionellen Wissensvermittlung, auf niveau- und altersdurchmischten Lerngruppen oder auf sogenannten Lernlandschaften liegt.
Ein weiteres, brisantes Thema ist zudem die Höhe des Ausländeranteils, der zwischen den Standorten variiert und bei den Zuteilungspräferenzen mutmasslich eine Rolle spielen dürfte.

Vor diesem Hintergrund und gestützt auf das in Basel-Stadt geltende Informations- und Datenschutzgesetz (IDG) bat die BaZ das Erziehungsdepartement um konkrete Zahlen: Für welche der zehn Sekundarschulen haben sich die rund 1300 Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2016 und 2017 entschieden?

Vom Vorsteher, dem zu diesem Zeitpunkt frisch ins Amt gewählten Regierungsrat Conradin Cramer (LDP), gab es jedoch einen negativen Bescheid. Der Nachfolger von Christoph Eymann befürchtete, dass mit einer solchen Statistik die Volksschulleitung bei der Verteilung der Schüler auf die Sek-Standorte «bald nicht mehr handlungs- und entscheidungsfähig» wäre.

Sorge um «Schulhausklima»
«Die Bekanntgabe der Zahlen würde zwangsläufig zu einem Ranking von favorisierten beziehungsweise weniger favorisierten Sekundarschulen führen», begründete Cramer. Die Folgen wären ein «Ansturm» auf die beliebten Schulen und eine geschmälerte Akzeptanz für eine Zuteilung in Schulhäuser im unteren Rankingbereich. Er sorge sich zudem um das «Schulhausklima» und den «Bildungs- und Erziehungserfolg». Aus diesem Grund, so Cramer, stünde einer Publikation das «gewichtige öffentliche Interesse an der Gewährleistung der Chancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler» entgegen.
Das Appellationsgericht ist dieser Argumentationslinie gefolgt. Die Richter hinterfragten insbesondere, was der Nutzen sei, die Zuteilungswünsche in Form einer Rangliste aufzuführen – schliesslich sei es «unbestritten», dass damit keine aussagekräftigen Schlüsse bezüglich der Qualität gezogen werden könnten. Hingegen sei es «offensichtlich, dass das durchschnittliche Publikum einschliesslich Schülerinnen und Schüler sowie Eltern einem solchen Ranking auch eine erhebliche Aussagekraft bezüglich der Qualität der Schulen zuschriebe, selbst wenn deutlich darauf hingewiesen würde, dass dieses bloss auf der Anzahl der Zuteilungswünsche beruht».

Es bestehe deshalb «Anlass für die Befürchtung, dass pauschalisierende Urteile über die Schulstandorte eine Dynamik auslösen würden, welche die Stimmung an den einzelnen Schulhäusern zum Nachteil von Schülern und Lehrern spürbar trüben würde». Auch mit dem Hinweis auf das Basler Schulgesetz, wonach bei Ergebnissen von Leistungstests die Nennung von Schulen untersagt sei, wird das Informationszugangsgesuch der BaZ abgelehnt. Cramer zeigt sich auf Anfrage «sehr» erfreut: «Damit stützt das Gericht unsere Praxis.»

Mit der bleibenden Intransparenz wird nun allerdings eine Debatte verhindert, wie sie in Berlin geführt wurde: Wegen der Unbeliebtheit mancher Schule wurde von Parlamentariern ein ganzer Massnahmenkatalog gefordert. Der Bildungsverwaltung waren die Diskussionen indes offensichtlich unangenehm: 2017 lehnte sie eine Anmeldeübersicht nach Einzelschulen «zur Vermeidung von Negativlisten» ab.

Cramer hält fest, das Basler Zuteilungsprozedere sei «sehr wohl transparent» und werde den Eltern in Informationsschreiben und per Brief erklärt. Eine «überwiegende Mehrheit» der Zuteilungswünsche könne erfüllt werden. «Mit den restlichen Familien versuchen wir, möglichst zufriedenstellende Lösungen zu finden. Aber klar: Bei über tausend Schülerinnen und Schülern, die jedes Jahr in die Sekundarschule kommen, gibt es keine hundertprozentige Zufriedenheit.»


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