23. Januar 2018

Die Lust, sich mitzuteilen

Attila Gaspar ist Geschäftsführer der Basler Medienund TheaterFalle. In Workshops bringt er Schülern bei, wie sie mit den sozialen Medien umzugehen haben.
"Wir sehen Gefahren, wo Jugendliche keine sehen", Schweiz am Wochenende, 20.1. von Leif Simonsen



Herr Gaspar, teilen Sie den Eindruck, dass sich Jugendliche immer mehr in öffentlichen Netzwerken exponieren und somit grosse Risiken eingehen?
Attila Gaspar: Wir sehen Gefahren, wo Jugendliche keine sehen. Das Ziel unserer Workshops ist nicht, dass die Schüler keine Bilder oder Statements posten. Sie wissen sehr wohl, dass sie sich exponieren, aber viele wollen genau das. Sie sehen Youtube-Stars und denken sich: So leicht kann man also bekannt werden, da kann mans ja versuchen. Diese Lust, sich mitzuteilen, ist übrigens kein neuartiges Phänomen der heutigen Jugend. Das hatte der Mensch schon immer. Vergessen wir nicht Andy Warhols Sinnspruch von den 15 Minuten Ruhm, die jedem mal zuteilwerden.

Worauf wollen Sie in Ihren Workshops hinaus?
Unser Ziel ist eher, dass sie sich mehr Gedanken machen. Und sich beispielsweise bei einem Post fragen: Was will ich damit genau bezwecken? Wenn man sich diese Frage regelmässig stellt, verzichtet man auf viele Mitteilungen, die man später bereut. Wir zeigen auch auf, wie die angeblichen Gratisplattformen funktionieren und welche Firmen damit Geld verdienen. Und natürlich wollen wir auch darauf hinweisen, welche groben Fehler zu vermeiden sind.

Die wären?
Das verheerendste sind Nacktbilder oder Sexvideos. Das Interesse daran ist ja grundsätzlich nachvollziehbar und richtig, aber der Umgang ist falsch, wenn man die Bilder im Netz weiterverbreitet.

Und von welchen Posts raten Sie den Jugendlichen ab?
Es gibt keine «schwarze Liste». Ich beobachte, dass es weniger die politischen Statements sind, welche die Jugendlichen bereuen. Viel häufiger sind es Affekthandlungen zwischen Freunden. In diesem Alter verändert sich alles sehr schnell. An einem Tag ist man noch der beste Freund, am nächsten bereits verfeindet. Das war früher genauso. Was sich verändert hat, sind die Auswirkungen. Social Media hat eine bedeutend grössere Kraft als eine Aussage auf dem Pausenhof. Die Hemmschwelle im Netz ist zudem oft geringer. Vieles passiert heute auch im Klassenchat. Das ist ein mächtiges Mittel, nicht zuletzt wenn es um Mobbing geht.

Ist die neue Generation wegen all der sozialen Netzwerke im richtigen Leben asozialer im richtigen Leben?
Da widerspreche ich insofern, als sich die Jugendlichen genauso wie die Erwachsenen immer noch gerne treffen. Die Vereine haben sogar noch mehr Zulauf als früher. Was ich aber beobachte, ist eine grosse Müdigkeit bei den Jugendlichen. Sie haben grosse Probleme, abzuschalten. Früher war der Medienkonsum überschaubar. Man hatte zu Hause einen Fernseher, der von den Eltern okkupiert oder zumindest kontrolliert wurde. Heute findet eine Dauerberieselung statt, die schädlich ist. Da braucht es Regeln, denn genügend Schlaf ist wichtig. Ich empfehle klare Regeln, auch wenn sich die Kinder dagegen auflehnen werden.

Und was ist sonst die Aufgabe der Eltern?
Anfangs ist vor allem Begleitung angesagt. Man setzt sein Kind ja auch nicht auf ein Velo und lässt es losfahren im Wissen, dass es bei der nächsten Kreuzung einen Unfall hat. Gerade in der Anfangsphase braucht es Orientierungshilfen. Denn das Handy ist absolut wahnsinnig. Das kann ja fast alles. Auch wir in unseren Workshops setzen auf Orientierungshilfen. Wir leiten die Kinder an, die verschiedenen Aspekte der Mediennutzung spielerisch zu lernen.

Was sollen die Eltern tun, wenn die Kinder älter werden und ans Gymnasium gehen?

Den Eltern kann ich sagen: Es wird mit zunehmendem Alter besser. Anfangs Mittelschule, wenn viele ein neues Handy bekommen, geht eine Welt auf. Da haben sie auf dem Pausenplatz nur die Augen auf das neue Ding gerichtet. Mit der Zeit, da gibt es auch neue Forschungsergebnisse, lässt das Interesse nach.

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