20. September 2017

Keine Geschlechterdiskrimination bei Kindergärtnerinnen-Löhnen

Eine geschlechterdiskriminierende Ungleichbehandlung liegt nicht vor
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Schlechterstellung von Kindergärtnerinnen gegenüber anderen Berufsgruppen. Dies hat das höchste Gericht festgestellt und damit einen vorläufigen Schlusspunkt unter einen langjährigen Streit gesetzt.
Es bleibt beim tieferen Lohn für Kindergärtnerinnen, NZZ, 20.9. von Barblina Töndury



Die Löhne der Zürcher Kindergärtnerinnen sind nicht geschlechterdiskriminierend. Dies haben die Richter der I. sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts an einer öffentlichen Beratung entschieden. Überraschend knapp haben sie mit drei gegen zwei Stimmen die Beschwerde von drei Kindergärtnerinnen sowie dem Verband Kindergarten Zürich, dem Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband und dem Schweizerischen Verband des Personals Öffentlicher Dienste (VPOD) abgewiesen, soweit sie darauf eingetreten sind.

Die Bundesrichter haben damit den Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts vom September 2016 bestätigt. Der Konflikt schwelt schon seit Jahren. Der Kindergarten ist im Kanton Zürich seit 2008 ein obligatorischer Bestandteil der Volksschule. Seit 2014 versuchen die Kindergärtnerinnen und Verbände, eine geschlechterspezifische Lohndiskriminierung feststellen zu lassen und Lohnnachzahlungen sowie eine Lohnerhöhung von 15 Prozent durchzusetzen. Sie berufen sich auf Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit gewährleistet, sowie auf Artikel 3 des Gleichstellungsgesetzes, welcher die Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts insbesondere bei der Entlöhnung verbietet. Zunächst bei der Paritätischen Schlichtungsbehörde des Kantons, dann beim Regierungsrat, danach beim kantonalen Verwaltungsgericht und jetzt vor Bundesgericht – jedes Mal haben die Beschwerdeführenden eine Niederlage hinnehmen müssen.

Nach einer ausführlichen Diskussion kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass eine geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung im konkreten Fall nicht vorliegt. Das Gleichstellungsgesetz sieht zwar zur Beweiserleichterung vor, dass es genügt, wenn eine betroffene Person eine Diskriminierung nur schon glaubhaft macht. Dann wird eine Diskriminierung vermutet, und der Arbeitgeber muss den Gegenbeweis erbringen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Doch für drei der fünf Richter ist es den Beschwerdeführenden nicht gelungen, eine geschlechterspezifische Lohndiskriminierung glaubhaft zu machen. Die Beschwerdeführenden hätten keinerlei Berufe, weder männerspezifische noch geschlechtsneutrale, aufgeführt, bei welchen der Lohn bei einer gleichen Ausbildung, nämlich dem Bachelor einer Fachhochschule, höher wäre als bei den Kindergärtnerinnen.

Eine richterliche Minderheit war anderer Ansicht und erachtete die Glaubhaftmachung für genügend. Der Wert der Arbeit von Kindergärtnerinnen habe sich seit der Einführung des kantonalen Kindergartenobligatoriums 2008 massgeblich erhöht. Dies habe die Vorinstanz bei ihrem abweisenden Entscheid nicht genügend berücksichtigt. Das Verfahren sei deshalb an sie zur Ergänzung des Sachverhalts zurückzuweisen. Doch damit konnten die zwei Richter nicht durchdringen.

Auch mit dem Argument, der kulturelle Hintergrund der Kinder sei heute heterogener, der Mediengebrauch habe sich verändert und die Kindergärtnerinnen müssten mehr administrative Aufgaben wahrnehmen, vermochten sich die Beschwerdeführenden nicht durchzusetzen. Der Bevölkerungsanteil anderssprachiger Personen ist laut dem Gericht generell gestiegen, das Arbeitsfeld hat sich für alle Berufsgruppen verändert. Es sei realitätsfremd, hieraus eine Geschlechterdiskriminierung abzuleiten.

Ein weiterer Streitpunkt war die Arbeitszeit. Die Beschwerdeführenden beanstandeten, dass sie nur 87 Prozent vom vollen Lohn der Lohnstufe 18 erhielten, weil sie nur 23 Pflichtstunden pro Woche leisten müssten, obwohl dies als Vollpensum gelte. Aber auch hier sah das Bundesgericht keine Diskriminierung, es hielt die Differenzierung vielmehr für sachlich begründet. Wegen der pädagogisch begründeten geringeren Anzahl von Lektionen pro Woche umfasse ein Vollpensum auch weniger Wochenarbeitsstunden.

Das Gericht prüfte zudem die Einstufung in die Lohnklasse 18 (die übrigen Lehrpersonen sind in Klasse 19 eingestuft) und erachtete auch diese für sachlich gerechtfertigt. Die Bewertung liege im Rahmen des zulässigen Spielraums des Kantons zur Gestaltung von Besoldungsfragen seiner Angestellten. Auch Gerichtsschreiber und Ingenieure mit einem Master-Abschluss würden in diese Lohnklasse fallen. Eine Einstufung in eine höhere Klasse sei zudem von den Beschwerdeführenden gar nicht beantragt worden.

Die Lehrpersonalverbände teilten nach dem Urteil mit, dass sie das Thema nicht ad acta legen würden. Sie wollen andere Wege prüfen, um eine faire Lösung zu erwirken. Der Entscheid sei eine grosse Enttäuschung für alle Kindergartenlehrpersonen.


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