Eine geschlechterdiskriminierende Ungleichbehandlung liegt nicht vor
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Schlechterstellung von
Kindergärtnerinnen gegenüber anderen Berufsgruppen. Dies hat das höchste
Gericht festgestellt und damit einen vorläufigen Schlusspunkt unter einen
langjährigen Streit gesetzt.
Es bleibt beim tieferen Lohn für Kindergärtnerinnen, NZZ, 20.9. von Barblina Töndury
Die Löhne der Zürcher Kindergärtnerinnen sind nicht
geschlechterdiskriminierend. Dies haben die Richter der I. sozialrechtlichen
Abteilung des Bundesgerichts an einer öffentlichen Beratung entschieden.
Überraschend knapp haben sie mit drei gegen zwei Stimmen die Beschwerde von
drei Kindergärtnerinnen sowie dem Verband Kindergarten Zürich, dem Zürcher
Lehrerinnen- und Lehrerverband und dem Schweizerischen Verband des Personals
Öffentlicher Dienste (VPOD) abgewiesen, soweit sie darauf eingetreten sind.
Die Bundesrichter haben damit den Entscheid des kantonalen
Verwaltungsgerichts vom September 2016 bestätigt. Der Konflikt schwelt schon
seit Jahren. Der Kindergarten ist im Kanton Zürich seit 2008 ein
obligatorischer Bestandteil der Volksschule. Seit 2014 versuchen die
Kindergärtnerinnen und Verbände, eine geschlechterspezifische
Lohndiskriminierung feststellen zu lassen und Lohnnachzahlungen sowie eine
Lohnerhöhung von 15 Prozent durchzusetzen. Sie berufen sich auf Artikel 8
Absatz 3 der Bundesverfassung, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau und
den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit gewährleistet, sowie auf Artikel 3
des Gleichstellungsgesetzes, welcher die Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts insbesondere bei der Entlöhnung
verbietet. Zunächst bei der Paritätischen Schlichtungsbehörde des Kantons, dann
beim Regierungsrat, danach beim kantonalen Verwaltungsgericht und jetzt vor
Bundesgericht – jedes Mal haben die Beschwerdeführenden eine Niederlage hinnehmen
müssen.
Nach einer ausführlichen Diskussion kommt das Bundesgericht zum Schluss,
dass eine geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung im konkreten Fall nicht
vorliegt. Das Gleichstellungsgesetz sieht zwar zur Beweiserleichterung vor,
dass es genügt, wenn eine betroffene Person eine Diskriminierung nur schon
glaubhaft macht. Dann wird eine Diskriminierung vermutet, und der Arbeitgeber
muss den Gegenbeweis erbringen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Doch für
drei der fünf Richter ist es den Beschwerdeführenden nicht gelungen, eine
geschlechterspezifische Lohndiskriminierung glaubhaft zu machen. Die
Beschwerdeführenden hätten keinerlei Berufe, weder männerspezifische noch
geschlechtsneutrale, aufgeführt, bei welchen der Lohn bei einer gleichen Ausbildung,
nämlich dem Bachelor einer Fachhochschule, höher wäre als bei den
Kindergärtnerinnen.
Eine richterliche Minderheit war anderer Ansicht und erachtete die
Glaubhaftmachung für genügend. Der Wert der Arbeit von Kindergärtnerinnen habe
sich seit der Einführung des kantonalen Kindergartenobligatoriums 2008
massgeblich erhöht. Dies habe die Vorinstanz bei ihrem abweisenden Entscheid
nicht genügend berücksichtigt. Das Verfahren sei deshalb an sie zur Ergänzung
des Sachverhalts zurückzuweisen. Doch damit konnten die zwei Richter nicht
durchdringen.
Auch mit dem Argument, der kulturelle Hintergrund der Kinder sei heute
heterogener, der Mediengebrauch habe sich verändert und die Kindergärtnerinnen
müssten mehr administrative Aufgaben wahrnehmen, vermochten sich die
Beschwerdeführenden nicht durchzusetzen. Der Bevölkerungsanteil
anderssprachiger Personen ist laut dem Gericht generell gestiegen, das
Arbeitsfeld hat sich für alle Berufsgruppen verändert. Es sei realitätsfremd,
hieraus eine Geschlechterdiskriminierung abzuleiten.
Ein weiterer Streitpunkt war die Arbeitszeit. Die Beschwerdeführenden
beanstandeten, dass sie nur 87 Prozent vom vollen Lohn der Lohnstufe 18
erhielten, weil sie nur 23 Pflichtstunden pro Woche leisten müssten, obwohl
dies als Vollpensum gelte. Aber auch hier sah das Bundesgericht keine
Diskriminierung, es hielt die Differenzierung vielmehr für sachlich begründet.
Wegen der pädagogisch begründeten geringeren Anzahl von Lektionen pro Woche
umfasse ein Vollpensum auch weniger Wochenarbeitsstunden.
Das Gericht prüfte zudem die Einstufung in die Lohnklasse 18 (die
übrigen Lehrpersonen sind in Klasse 19 eingestuft) und erachtete auch diese für
sachlich gerechtfertigt. Die Bewertung liege im Rahmen des zulässigen
Spielraums des Kantons zur Gestaltung von Besoldungsfragen seiner Angestellten.
Auch Gerichtsschreiber und Ingenieure mit einem Master-Abschluss würden in
diese Lohnklasse fallen. Eine Einstufung in eine höhere Klasse sei zudem von
den Beschwerdeführenden gar nicht beantragt worden.
Die Lehrpersonalverbände teilten nach dem Urteil mit, dass sie das Thema
nicht ad acta legen würden. Sie wollen andere Wege prüfen, um eine faire Lösung
zu erwirken. Der Entscheid sei eine grosse Enttäuschung für alle
Kindergartenlehrpersonen.
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