6. August 2017

Die Spinner sind da!

Schulbesuche sind immer wieder lehrreich und erweitern den Horizont. Die Erfahrungen und Überraschungen beschränken sich keineswegs auf das schulische Kerngeschäft. Beim letzten Mal, kurz vor den Sommer­ferien, beobachtete ich mit wachsendem Interesse einige Knaben, die sich im Französischunterricht hochkonzentriert mit einem kleinen Spielzeug beschäftigten. Sie balancierten das unbekannte Wesen, eine Mischung aus Propeller und Ninja-Wurfstern, auf dem Finger, auf dem Kopf und sogar auf der Nase. Die Konjugation der Verben être und avoir und das Sprachbad im Lehrmittel Milles Feuilles gerieten dabei völlig in den Hintergrund.
Bereits gibt es Nachfolger des Fidget Spinners. Bild: Keystone
Hilfe! Die Spinner sind im Anmarsch. Basler Zeitung, 3.8. von Roland Stark
Zufälligerweise las ich noch am gleichen Tag in der Zeitung einen Artikel, der sich ausführlich mit dieser Neuerscheinung auf dem Spielzeugmarkt auseinandersetzte. Fidget Spinner heissen die Dinger, mit einem Kugellager und meist drei Flügeln. Einmal angestossen, bewegen sie sich minutenlang. Wie alles Gute und Nützliche stammt auch dieser modische Artikel ursprünglich aus den USA.

Hilft scheints gegen Autismus
Weiter lernte ich, dass sich der Spinner nicht nur als Spielzeug vermarkten lässt. Er wirkt auch gegen Stress, hilft bei Angstzuständen, bei Autismus und sogar bei der Aufmerksamkeitsstörung ADHS und fördert die Konzentration. Davon hatte ich mich ja bereits in der erwähnten Französischstunde überzeugen können.

In amerikanischen und britischen Schulen macht sich neben den Drehspielzeugen bereits ein anderes Fidget-Gerät bereit: der Fidget Cube, ein Würfel, dem seine Anhänger eine ähnlich segensreiche Wirkung wie dem Spinner nachsagen. Beim nächsten Schulbesuch im Herbst dürfte er auch bei uns schon im Einsatz sein.

Eltern und Lehrer wissen aus Erfahrung: Die Produktion von Schwachsinn gehört weltweit zur DNA der Spielzeugindustrie. Jedes Jahr, so regelmässig wie Ostern und Weihnachten, bringen sie einen neuen, innovativen Lockstoff für den Nachwuchs auf den Markt.

Von Slime bis Tamagotchi und Furby
In den 1970er-Jahren gab es Slime, einen weichen Glibber, der sich durch die Finger gleiten liess und dann mit einem Pups-Geräusch wieder in der Tonne verschwand. Heute können Kinder auf Youtube lernen, wie man das eklige Zeug selber herstellt, auf T-Shirts, Sofas oder Kuscheltieren verteilt, Badezimmer und Küche versaut. Abgelöst wurden die schleimigen Grüsel durch die Monchichi. Seidenweiches Fell, knubbelige Füsschen, Stupsnäschen, rosa Lätzchen, strahlend blaue Augen. Perfekte Kuscheltiere. Machten weder eine Sauerei noch störenden Krach.

In den Tiefen der Kleinramsch-Schubladen vegetieren auch noch Tamagotchi, virtuelle Küken, um die man sich kümmern musste wie ein Haustier. Echte Bedürfnisse haben sie auch. Schlafen, Essen, Trinken. Der Clou: Mit einem Reset-Knopf konnte das an Vernachlässigung verstorbene Plastikei wieder belebt werden.

Dann erschien Furby, ein Plüschvieh mit grossen Ohren, Kulleraugen und Vogelschnabel. Ausgerüstet mit einer breiten Palette an nervenden Geräuschen und einer eigenen Sprache: Furbisch. Aber leider ohne Ausschaltknopf. Der ultimative Schrecken des Haushaltes.

Der hirnlose Schnicknack der letzten Jahrzehnte hat einen gemeinsamen Nenner: unsinnig, überflüssig und schnelllebig. Und zu Beginn der Modewelle den immer gleichen Satz der Kinder: «Das will ich auch. Alle anderen haben es schon!» Es lebe die freie Marktwirtschaft.


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