18. Juli 2017

"Volksschule" nicht "Staatsschule"

Als am vergangenen 21. Mai die Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache an der Primarschule» – leider – Schiffbruch erlitt, und folglich, wie im Lehrplan 21 vorgesehen und dennoch nicht zwischen verschiedenen Kantonen harmonisiert, nun weiterhin Englisch und Französisch an der Primarschule unterrichtet werden müssen, haben auch Sie, Frau Bildungsdirektorin, zusammen mit anderen, welche die Initiative «Lehrplan vors Volk» ablehnen, aufgeatmet und gesagt, sie seien froh über den klaren Entscheid des Volkes. Sie sind froh darüber, dass Ihre Vorstellung vom Sprachenlernen im Volk deutlich abgestützt ist.
Votum im Zürcher Kantonsrat zur Debatte um die Volksinitiative "Lehrplan vors Volk", 19.6. von Mathias Hauser


Genau um diese Abstützung geht es bei dieser Initiative ebenfalls. 

Unsere Schule heisst Volksschule 
Meine Damen und Herren, unsere Schule bis zur Sekundarstufe 1 im Kanton Zürich heisst nicht «public school», nicht «öffentliche Schule» oder gar «Staatsschule» – nein – sie heisst Volksschule. 

Nicht, weil es eine Schule für das Volk ist, denn das wäre eine Staatsschule ja auch. Sondern, weil sie darüber hinaus eine Schule VOM Volk ist. 

Unsere Schulpflegen sind nicht nur Aufsichtskommissionen, wie in den Mittelschulen zum Beispiel, sondern in eigenen Gemeinden für viele Belange verantwortlich. Elternmitsprache und Schülerinnen- und Schülerpartizipation liegen im Trend. Das forderten Sie, liebe Gegnerinnen und Gegner der Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» im neuen Volksschulgesetz mit Vehemenz – aber richtige Kompetenzen wollen Sie dem Volk offenbar nicht geben. Dabei interessiert sich die Bevölkerung stark dafür, WAS die Kinder in der Schule lernen. Volksinitiativen der vergangenen zehn Jahre über eine Lektion Handarbeit in der Mittelstufe, Hauswirtschaftskurse, biblische Geschichte, Mundart im Kindergarten, Grundstufe und eben die Fremdsprachen an den Primarschulen beweisen es. 

Ob eine Schulgemeinde zum Beispiel jedem Kind ein iPad anschafft, wird an der Gemeindeversammlung, die ja für das Budget zuständig ist, nicht nur finanziell diskutiert, viel mehr fliegen pädagogische Argumente. Und meine Damen und Herren, das ist gut so!

Was wir den Kindern beibringen, bestimmt die Zukunft 
Denn was wir unseren Kindern beibringen, bestimmt unsere Zukunft! Das Denken der Zukunft, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Zürich der Zukunft, die Kultur der Zukunft, die Sozialkosten der Zukunft. 

Man darf deshalb das WAS ausgebildet wird, nicht einfach abschliessend an eine Kommission, nicht einfach an den kleinen Bildungsrat delegieren, nicht einfach dem Einfluss des Volkes entziehen. Das ist einer Volksschule unwürdig, widerspricht einer demokratischen Zukunftsgestaltung. 

Früher habe ich jeweils aufgezählt, was beispielsweise im Lehrplan 21 alles öffentlich umstrittene Themen sind: Die Zyklen statt Stufen, wobei im ersten Zyklus der Kindergarten mit der Volksschule zusammengenommen wird, obwohl die Züricher Bevölkerung die Grundstufe schon einmal abgelehnt hatte (jetzt kommt sie durch die Hintertür). Dann die Zusammenfassung von Geografie und Geschichte zum Fach «Räume, Zeiten und Gesellschaft», obwohl die historische und die geografische Betrachtung eines Sachverhaltes später und zu Recht getrennte Studienrichtungen darstellen. Die politischen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, der Zeitpunkt und Inhalt der Sexualerziehung, sie haben diesbezüglich vorhin im Votum von EDU-Kantonsrat Hans Egli deutlich das Unbehagen gespürt. Oder die Kompetenzorientierung an sich, vor allem, wie diese praktisch umgesetzt eben doch Haltungen beeinflusst und in die Methodenfreiheit eingreift. Die Gewichtung der Informationstechnologie und natürlich die erwähnte Fremdsprachenfrage. Alle diese Punkte interessieren – darüber werden unter Fachleuten und unter betroffenen Eltern (also in der Bevölkerung) Kontroversen geführt. Wenn es viele Meinungen gibt, verlangt dies nach einem demokratischen Entscheid, denn die Unterdrückung von Meinungen führt niemals zur Identifikation aller mit der Schule, die doch das Ziel einer Volksschule sein soll. Volksschule sein heisst, umstrittene Punkte auch der Diskussion aussetzen zu können. Bei einem Veto des Kantonsrates zu Lehrplanerlassen und der Referendumsfähigkeit dieser Beschlüsse wäre dies der Fall. 

Bildungsträger als Diener des Volkes 
Sie können gerne damit argumentieren, die Initiative habe ihren Zweck schon erfüllt: Die Umsetzung des Lehrplan 21 in der Lektionentafel erfolgt im Kanton Zürich pragmatisch. Die Bildungsdirektion hat ihre Möglichkeiten zur Wahrmachung der Befürchtungen vieler Lehrplangegner nicht ausgeschöpft. Gerade betreffend den ersten Zyklus (Grundstufe) als auch betreffend Sexualerziehung kommt der Umstieg auf den Lehrplan 21 moderat daher. Ohne Initiative als Damoklesschwert wäre dies garantiert anders. 

Anders hingegen die PHZH: Die Pädagogische Hochschule vertritt in Kompetenzzentren und Ausbildungsgängen und Standortbestimmungen in den Schulhäusern, auch wenn Behörden zugegen sind, eine resolute Vorwärtshaltung. Kompetenzraster statt Zeugnisse wären gut, sagen die Dozenten. Gute Lehrperson sind Coach und lassen die Schülerinnen und Schüler schaffen. Individualisierung, Ausbau der Informatik, moralische Lernziele betreffend Nachhaltigkeit. Die Hochschule reitet vor.  

Bildungsträger, ob Lehrpersonen oder Schulbehörden, sollten sich aber nicht im Spannungsfeld zwischen Pragmatik der heutigen Bildungsdirektorin und der vorpreschenden PHZH verorten. Sie sollen wieder Nutzniesser noch Opfer sein, sondern ganz einfach Diener des Volkes! Und wer eine Volksschule statt eine Staatsschule will, der muss deshalb der Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» zustimmen.

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