3. Juli 2017

Nachlässige Lehrerkleidung

Regelmässig wird Jeroen van Rooijen von Schulen als Stilexperte gebucht. Sein Fazit: «Lehrer sind totale Hardcore-Individualisten – und so dünnhäutig!» Sie seien die schwierigsten Kunden: «Viele verstehen nicht, dass ein guter Geist auch in einer guten Flasche daherkommen kann.» Die Lehrer seien der Auffassung, in ihrem Job zählten nur das Vermitteln von Wissen und menschliche Qualitäten. Deshalb träten einige zu nachlässig und zu ungepflegt vor die Klasse. «Am liebsten tragen sie ihre ungebügelten Wanderklamotten von Mammut und Schöffel, dazu Schuhe von Sioux oder Mephisto und in ganz schwerwiegenden Fällen vielleicht noch Birkenstocksandalen mit Socken.» Denn bequem und unkompliziert solle es sein. Der passende Look für Lehrer sei der Collegestyle oder smart casual.
Schulen buchen Stilexperten für Lehrer, 20 Minuten, 30.6. von B. Zanni


«Angst, als Banker oder Kapitalist zu gelten»
Auch Daniela Plüss, Dozentin Fachdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Zürich, findet: «Es darf etwas gepflegter sein, auch in hygienischer Hinsicht.» Es gebe wirklich Lehrpersonen, die regelmässig nach Schweiss riechen oder dreckige Kleider tragen würden. Fest steht für sie auch: «Trekkingkleider gehören in die Freizeit.» Zudem machten sich die Lehrpersonen ungewollt lächerlich. «Schülerinnen und Schüler realisieren sehr genau, wie sich Lehrpersonen kleiden, denn sie müssen sie ja anschauen.»

So beobachtet denn auch Lilo Lätzsch vom Zürcher Lehrerverband, dass Schüler zunehmend stilbewusst sind: «Vor einigen Jahren erschienen sie auf der Diplomfeier noch mit löchrigen Hosen. Heute tragen sie dagegen Abendroben und Krawatten.» Viele Lehrpersonen dagegen hielten Mode für unwichtig und schenkten ihrer Garderobe zu wenig Beachtung: «Sie ziehen das erste Shirt an, das sie in ihrem Schrank finden.» Etwas schicker zur Arbeit zu gehen, geschweige denn in Anzug und Krawatte, komme kaum einer Lehrperson in den Sinn. «Sonst wird man von den Kollegen als Banker oder Kapitalist hochgenommen.»

René Zweifel, Schulpräsident der Schule Kreuzlingen, pflichtet ihr bei: «Es kann vorkommen, dass Lehrpersonen aus Angst, zu elitär oder zu tussihaft zu wirken, ihren Kleiderstil in die andere Richtung übertreiben.» Oft kämen sie dann schmuddelig daher. «Ein Lehrer hatte starken Mundgeruch und trug immer dasselbe Hemd. Ich bat ihn dann, sich etwas mehr zu pflegen.»

Kleiderempfehlungen für Lehrer
Zweifel hat vor drei Jahren den Stilexperten van Rooijen für eine Stilberatung gebucht. Nach dem Kurs habe die Schule gewisse Kleiderempfehlungen zusammengestellt. «Freizeitkleider wie schlabbrige Kapuzenpullover oder Flip Flops wie auch Birkenstocksandalen mit Wollsocken sind für unsere Lehrpersonen tabu.» Zweifel lobt den Kleiderstil des Lehrerpersonals. «Unsere Lehrer sind gut gekleidet: sportlich und weder schmuddelig noch überkandidelt.» Viele weibliche Lehrpersonen trugen sogar selbst genähte Kleider. «Und diese haben sehr viel Stil.»


Träten in Schulen wegen der Kleidung uneinsichtiger Lehrpersonen immer wieder Konflikte auf, sei ein zwingender Dresscode sinnvoll, sagt Beat W. Zemp, Präsident des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH. Daniela Plüss fände es sinnvoll, wenn Lehrer das Thema Kleidung zum Beispiel in schulhausinternen Weiterbildungen diskutierten. «Sie müssen sich unbedingt bewusst sein, wie sie vor der Klasse wirken.» In Schulen mit Dresscodes für Schülerinnen und Schüler sei dies umso dringlicher.


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