30. Juli 2017

Ferien: alles andere als harmonisiert

Zehn Wochen und somit am längsten Sommerferien haben die Schulkinder im Südkanton. Dicht gefolgt vom Kanton Genf mit acht Wochen. Diese Zahlen müssen für Kinder und Jugendliche aus Kantonen wie Aargau, Solothurn und Berndeprimierend wirken. Sie haben nur fünf Wochen Ferien.
Grafik: watson
Die Tessiner haben 10 Wochen Sommerferien - eine Aargauer Gemeinde nicht mal halb so lang, Watson, 26.7.

Neben den langen Sommerferien kommen die Schüler in den Genuss von Herbst-, Weihnachts- und Frühlingsferien. So weit, so normal. Jetzt gibt es aber Schweizer Schulen, die haben noch ganz andere, eher aussergewöhnliche Schulferien. 
Die Karte der ungewöhnlichen Schulferien

Kunstferien

Das beschauliche Trubschachen liegt im Emmental. Alle vier Jahre ist es aber mit der Ruhe im Dorf vorbei, dann wenn der Kunsttrubel für drei Wochen Einzug hält. In diesem Jahr war es wieder so weit. Zwischen dem 1. und 23. Juli pilgerten 43'000 Kunstliebhaber ins Emmental und bestaunten Werke von grossen Schweizer Malern wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti. Für die Schüler von Trubschachen hiess dies vor allem eines: eine Woche früher Sommerferien!

Die Kunstferien in Trubschachen sind vom Kanton Bern abgesegnet und erfreuen alle vier Jahre die Kinderherzen. Dabei hat es vor allem organisatorische Gründe: «Durch die Sonderbewilligung kann die Kunstausstellung jeweils bereits eine Woche vor den offiziellen Schulferien öffnen», sagt Walter Guggisberg, Schulleiter von Trubschachen.
In diesen drei Wochen hängen in den Klassenzimmern statt den Zeichnungen der Kinder Gemälde von grossen Schweizer Künstlern. Und statt Schulkindern laufen Kunstliebhaber durch die Gänge und Zimmer der beiden Schulhäuser in Trubschachen. 

Die eine Woche früher Ferien biete den Schülern auch die Gelegenheit, selber die Ausstellung zu besuchen, sagt der Schulleiter, der betont, dass die Schüler in Jahren mit der Kunstausstellung nicht weniger lernen als sonst.

Geschenkt wird den Schülern diese zusätzliche Ferienwoche nicht. Sie müssen sie vorholen, indem sie eine Woche ihrer Herbstferien dafür hergeben.

Sparferien

Wenn es ums Sparen geht, gehört Luzern zu den kreativen Kantonen. 2016 verdonnerten die Kantonsräte die Schüler kurzerhand zu einer zusätzlichen Woche Herbstferien. Dies galt aber nur für die Schüler der Gymnasien, Mittel- und Berufsschulen.

Ziel der Übung: Die Löhne der Lehrer sparen, die in dieser zusätzlichen Schulferienwoche nicht bezahlt wurden. Insgesamt konnte der Kanton Luzern damit vier Millionen Franken auf die Seite legen, wie das Bildungs- und Kulturdepartement auf Anfrage mitteilt. 

Trotz des sehr willkommenen zusätzlichen Geldes in der Kasse: Die ungewöhnliche Sparübung bleibt eine einmalige Sache. Diesen Herbst gibt es wieder nur zwei Wochen Ferien. Zum Missfallen einiger Schüler, zur Freude aller Lehrer.

Heuferien

Früher war auf dem Lande klar: Die Arbeit auf dem eigenen Hof geht der Schule vor. So war es üblich, dass Ende Mai, Anfang Juni die Kinder und Jugendlichen für einige Tage schulfrei hatten, um auf dem elterlichen Hof beim Heuen zu helfen. Diese Ferien konnten die Lehrer dann auch ganz spontan ansetzen – je nach Wetter.

Die Spontanität ist längst verflogen, die Ferien sind heute schon Jahre im Voraus geplant. Doch in einigen Gemeinden gibt es sie noch immer, die Heuferien. In erster Linie in den Kantonen Bern, Thurgau und Zürich. In letzterem kennen noch über 15 Schulen Heuferien, obwohl die NZZ bereits 1981 diese Freitage als passé abschrieb: «Allerdings sind nicht mehr allzu viele Schulkinder tatsächlich beim Heuet anzutreffen.»

Tatsächlich greift heute höchstwahrscheinlich nur noch eine Handvoll Schüler tatsächlich zur Heugabel. Der Zweck der Heuferien ist mittlerweile ein ganz anderer. Sie sind eine gute Gelegenheit, um ausserhalb der Hauptsaison in die Ferien zu fahren. Zum Schnäppchenpreis.

Wie beliebt Heuferien sind, zeigt das Beispiel aus dem zürcherischen Fischenthal. Als die Schulpflege 2007 beschloss die Heuferien abzuschaffen, stiess sie auf heftigen Widerstand, wie der «Tages-Anzeiger» damals berichtete. 406 Personen unterschrieben eine Petition, die sich gegen die Abschaffung der Heuferien wehrte, und in einem Leserbrief schrieben sechs Autoren von einem Lehrstück in Sachen Missachtung des Volkswillens.
Es waren nicht Bauern, die sich wehrten. Der Tenor: Man wolle nicht gleichzeitig mit allen anderen in die Ferien fahren.
Der Protest blieb erfolglos.

Pflotschferien

Herbstunterbruch – so heissen offiziell die einwöchigen Schulferien Ende November in der Berner Gemeinde Trachselwald. Der inoffizielle Namen ist viel charmanter: Pflotschferien. Er ist dem garstigen Wetter gewidmet, das zu der Jahreszeit meistens vorherrscht – dann wenn irgendetwas zwischen Regen und Schnee vom Himmel fällt.

In den Genuss von Pflotschferien kommen nur die jüngeren Kinder in Trachselwald – jene, die noch den Kindergarten oder die Primarschule besuchen. Und für die freie Zeit im November müssen sie nicht einmal eine andere Ferienwoche hergeben. Zu verdanken haben sie dies einer Regel im Kanton Bern. Wenn die Kinder eine Schullektion mehr pro Woche besuchen als vorgegeben, gibt es dafür eine Woche mehr Ferien.

Viele Schulen im Kanton Bern machen von dieser Regel Gebrauch. Die meisten hängen die zusätzliche Ferienwoche aber einfach an eine bestehende. Es gibt aber neben Trachselwald noch weitere Berner Gemeinden, die auf Pflotschferien setzen. Zum Beispiel Sumiswald oder Heimiswil.

Und wiederum andere nennen sie einfach anders. So in Bowil: Hier gibt es zur gleichen Zeit Laubferien. Und diese heissen auch offiziell so.

Kurzferien

Fies! Niemand hat so kurze Sommerferien wie die Schüler der Schule Lenzburg. Zumindest in der Schweiz, aber mit grösster Wahrscheinlichkeit in ganz Europa. Nur jeweils vier Wochen können die Kinder und Jugendliche entspannen, bevor sie schon wieder zurück in die Schule müssen. Eine Woche weniger lang als alle anderen Schüler im Kanton Aargau. Oder anders ausgedrückt: Ihre Sommerferien sind schon vorbei, wenn die Tessiner Kinder noch nicht mal in der Hälfte sind (siehe Grafik unten). 

Schuld ist das Jugendfest in Lenzburg, beziehungsweise jenes in Aarau. Der Maienzug in der Kantonshauptstadt findet immer am ersten Freitag im Juli statt. Da das Jugendfest in Lenzburg nicht mit diesem konkurrenzieren soll, ist dieses um eine Woche nach hinten verschoben. Somit sind die Ferien der Schüler eine Woche kürzer.

«Wir wollen unsere Schüler nicht schikanieren», sagte Emil Klaus, Schulleiter der Bezirksschule Lenzburg, einst zur Zeitung «20 Minuten». «Was sie im Sommer weniger haben, kriegen sie dafür im Herbst dazu.»


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