15. Juni 2017

SVP Regierungsrätin setzt zwei Primarfremdsprachen durch

Ihre Augen leuchteten. Es ist der bemerkenswerteste Erfolg der Thurgauer Erziehungsdirektorin Monika Knill in den neun Jahren ihrer bisherigen Regierungstätigkeit. Mit 62 gegen 60 Stimmen hat das Kantonsparlament am Mittwochmorgen in zweiter Lesung die Verschiebung des Französischunterrichts von der Primar- in die Sekundarschule abgelehnt. Es war gelungen, im Vergleich zur ersten Lesung vom 3. Mai sieben Parlamentsmitglieder auf die Seite der Befürworter des Frühfranzösisch zu ziehen. Die SVP-Regierungsrätin hatte sich im Parlament und in zahlreichen persönlichen Gesprächen vehement für die Beibehaltung der zweiten Fremdsprache in der Primarschule gewehrt.
Mutter Courage sichert Sprachenfrieden, NZZ, 15.6. von Jürg Krummenacher


Im Clinch mit eigener Partei
Damit stellte sich Knill explizit gegen ihre eigene Partei – als Mutter Courage für das Frühfranzösisch. Es war die SVP gewesen, die sich in einer Motion für das Verschieben des bis anhin höchst ungenügenden Französischunterrichts in die Sekundarschule starkgemacht hatte und grossmehrheitlich bei dieser Haltung geblieben war. Knill gelang es, einzelne Parlamentsmitglieder aus anderen Parteien umzustimmen. Während der Ratsdebatte outete sich dabei einzig CVP-Kantonsrätin Christa Kaufmann: Die Vorzeichen hätten sich geändert, begründete diese ihren Meinungsumschwung.

Damit dürfte sie einerseits das Resultat der Zürcher Volksabstimmung gemeint haben: Die Initiative für eine Fremdsprache in der Primarschule war am 21. Mai deutlich mit knapp 61 Prozent Nein-Stimmen gescheitert. Anderseits spielte sie auf das intensive Lobbying und neue politische Signale der Erziehungsdirektorin an. Monika Knill, Mutter von zwei Töchtern, ist mit 44 Jahren noch relativ jung, politisch aber dennoch erfahren. In der ersten Lesung hatte sie mit einigen Häppchen zur Verbesserung des Unterrichts den Verbleib des Französischen in der Primarschule schmackhaft gemacht: Überforderte Primarschüler, so die wichtigsten Elemente, sollten sich leichter vom Französischen dispensieren lassen können, und Unterrichtsstunden sollten vermehrt in Halbklassen erfolgen.

In zweiter Lesung legte Knill nach: Sie versprach, nach zwei Jahren eine Erhebung über die hoffentlich verbesserte Qualität des Frühfranzösisch durchzuführen und dann «ernsthaft eine Erhöhung der Lektionenzahl für Französisch in Erwägung» zu ziehen. Sollte sich der Rat dennoch für die Verschiebung des Französischen auf die Sekundarstufe entscheiden, reite er «mit offenem Visier in den Nebel». Das genügte, um das Abstimmungsresultat knapp auf die von Knill gewünschte Seite kippen zu lassen.

Chance für Verbesserungen
Allerdings blieb die Erziehungsdirektion nicht von Kritik verschont. Sie habe, monierte Urs Schrepfer (svp.), der Präsident der vorbereitenden Parlamentskommission, während Jahren verschiedene Gelegenheiten versäumt, Massnahmen gegen den mangelhaften Frühfranzösischunterricht zu ergreifen. Doch nun, so kommentierte die Fraktion der Grünen, müsse man ihr die Zeit und die Chance geben, den Unterricht tatsächlich zu optimieren. Den Thurgauern gehe es nicht um ein Nein zum Französischen, sondern um eine Verbesserung. Dies dürfe ruhig auch in Bern und Lausanne anerkannt werden.

Von Drohung unbeeinflusst
Mit ihrem Engagement hat Monika Knill wesentlich dazu beigetragen, den nationalen Sprachenfrieden zu sichern. Das von Bundesrat Alain Berset angedrohte Eingreifen des Bundes, sollten Kantone von den Harmonisierungsbestrebungen in der Sprachenfrage abweichen, ist obsolet geworden. Allerdings zeigte sich der Thurgauer Grosse Rat bei seinem Entscheid vom Drohfinger Bersets unbeeinflusst. Die Absicht des Bundes, allenfalls zu intervenieren, wurde als «unverhältnismässig und politisch nicht opportun» kritisiert. Das gilt weiterhin, wie Monika Knill betonte: «Bundesinterventionen lehnen wir ab, und Drohgebärden betrachten wir als kontraproduktiv.»


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