24. Juni 2017

Bildungsrat bremst Volksentscheid aus

Bildungsdirektorin Monica Gschwind kann sich im Ringen um die zukünftige inhaltliche Ausgestaltung der Baselbieter Sekundarschule nicht durchsetzen. Mit dem Ziel, den Lehrplan der Sekundarschule mehrheitsfähig zu gestalten, ist sie vorerst im Bildungsrat gescheitert. Entgegen Gschwinds Vorstellung will der Bildungsrat den neuen Lehrplan und die Stundentafel nach seiner Vorstellung durchsetzen und möglichst schnell in der Praxis einführen – vorerst als Provisorium. Der neue Lehrplan und die neue Stundentafel sollen bereits in einem Jahr in Kraft treten und während dreier Jahre an den Sekundarschülern ausprobiert werden, bevor sie korrigiert und definitiv gestaltet werden.
Unnötiger Machtkampf des Bildungsrats, Basler Zeitung, 24.6. von Thomas Dähler


Die Mehrheit des Expertengremiums hat sich damit gegen die Bildungsdirektorin durchgesetzt. Mehr noch: Auch der Volksentscheid zugunsten einer Stärkung der naturwissenschaftlichen Fächer und der Geschichte hat den Bildungsrat nicht beeindruckt. Dessen ungeachtet hat das Gremium die Stundentafel mit marginalen Anpassungen in Kraft gesetzt – und sich dabei auch keine Mühe gegeben, die Absicht zu kaschieren, die verpönten Sammelfächer durch die Hintertüre einzuführen. Die geplante geringe Stundenzahl für die Fächer Physik, Chemie, Biologie, Geografie und Geschichte wird die Schulen dazu zwingen, die Fächer insofern zusammenzuführen, als sie von der gleichen Lehrkraft in freier Auslegung der Stundentafel zeitlich gestaffelt unterrichtet werden – eine leicht modifizierte Form der vom Volk abgelehnten Sammelfächer, unter Missachtung der kritisierten ungenügenden Fachausbildung der Einheitslehrer.

Offen ist jetzt nur noch, ob der Landrat dagegen vorgehen wird. Eine Möglichkeit dazu gibt dem Parlament die Motion von Pascal Ryf (CVP), die von Ratskollegen aus mehreren Parteien mitunterzeichnet ist. Dem Vernehmen nach ist der Vorstoss mehrheitsfähig. Er verlangt, dass die Promotionsfächer mit mindestens zwei Wochenlektionen in der Stundentafel figurieren müssen.

Nach Ansicht des Bildungsrats wäre dies ein massiver Eingriff. In diesem fortgeschrittenen Stadium der Stundentafelgestaltung hätte dies zur Folge, dass der Erarbeitungsprozess neu aufgerollt und der gesamte Lehrplan angepasst werden müsste, heisst es in der von der Regierung übernommenen ablehnenden Stellungnahme zur Motion. Es wären damit «alle bisherigen Planungen obsolet», meint der Bildungsrat. Der Landrat hat letzte Woche die Behandlung des Vorstosses um zwei Wochen verschoben, um dem Bildungsrat die Gelegenheit zu geben, im Gespräch einen Kompromiss zu finden. Das ist nicht geschehen. Die Antwort des Bildungsrats diese Woche liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Er hat beschlossen, den neuen Lehrplan auf das Schuljahr 2018/19 in Kraft zu setzen, angelehnt an die verabschiedete Stundentafel. Zu einem Gespräch mit der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission des Landrats und mit den Unterzeichnern der Motion von Pascal Ryf ist der Bildungsrat erst nach den Sommerferien bereit – und dies obwohl der Landrat die Motion bereits nächsten Donnerstag behandelt. Von einem ergebnisoffenen Gespräch ist ohnehin nicht die Rede: Dieses soll bloss «zur Gewährleistung der Planungssicherheit der Sekundarschulen» dienen, steht in der Medienmitteilung. Mit anderen Worten: Der Bildungsrat will in dem Gespräch die Landräte davon überzeugen, dass sie, auch wenn sie der Motion Ryfs zustimmen, die Stärkung der Naturwissenschaften und der Geschichte nicht gesetzlich zementieren sollten. Klar: Es wären sonst «alle bisherigen Planungen obsolet». Damit zeichnet sich ab, dass der Bildungsrat nicht nur die Auseinandersetzung mit Bildungsdirektorin Monica Gschwind sucht, sondern auch jene mit dem Landrat.

Zweifellos erhofft sich der Bildungsrat, dass mit der schnellen Umsetzung von Lehrplan und Stundentafel eine Entwicklung zementiert wird, die sich nicht so schnell rückgängig machen lässt. Das Seine dazu beigetragen haben dürfte auch der Umstand, dass die Amtszeit der heutigen Mitglieder des Bildungsrats schon im nächsten Jahr ausläuft. Und es ist unwahrscheinlich, dass der Landrat in seiner jetzigen Zusammensetzung den Bildungsrat unverändert wiederwählt.


Der Kurs des Baselbieter Bildungsrats steht völlig quer in der Landschaft. Eine Förderung der Naturwissenschaften und der ICT ist ein Gebot der Stunde – vor allem im Hinblick auf den Bedarf an Fachkräften. Auch die Rektoren der Baselbieter Gymnasien hatten kritisiert, dass die Qualität der Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den Naturwissenschaften mit der neuen Stundentafel der Sekundarschule leidet. Es ist unverständlich, dass der Bildungsrat nicht bereit ist, die Gewichtung der Fächer in den Sekundarschulen den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Auf dem Spiel steht mehr als bloss das Unterfangen eines Expertengremiums, sich gegen die politischen Akteure durchzusetzen.

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