1. Juni 2017

Bessere Arbeitsbedingungen - Dauerbrenner der Bildungspolitik

«Lehrerinnen und Lehrer brauchen bessere Arbeitsbedingungen» lautet der Titel einer Medienmitteilung des Erziehungsdepartements Basel-Stadt. Eine Kurzbotschaft von fast historischer Selbstverständlichkeit.

Im darauf folgenden Text wird dann ausgeführt, dass die Vielzahl der Lasten reduziert werden müsse, damit den Lehrkräften wieder mehr Kraft für das eigentliche Kerngeschäft zur Verfügung stehe und die Schule ihren Bildungsauftrag optimal erfüllen könne. «Belastend», erfahren wir weiter, «erweisen sich unter anderem die Heterogenität der Klassen, administrative Pflichten, Aufgaben ausserhalb des Unterrichts, das berufliche Image sowie Veränderungen im Schulsystem.» Ins Deutsche übersetzt: schwierige Schüler, überhastete Reformen, überflüssige Sitzungen, lästige Bürokratie, überbordende Papierflut.
Diese einleuchtenden Erklärungen liefert jeder halbwegs erfahrene Pädagoge mit ein paar Jahren Praxiserfahrung gratis und franko. In diesem Fall jedoch wurde das Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung in Zürich unter professoraler Leitung bemüht, um eine 40-seitige Untersuchung über Arbeitsbedingungen, Belastungen und Ressourcen der Lehrkräfte des Kantons Basel-Stadt zu erstellen. Die emsigen Forscher kommen denn auch zum wenig überraschenden Schluss, dass in «allen vergleichbaren Gemeinwesen ähnliche Verhältnisse herrschten», wie jetzt in dieser Studie wissenschaftlich festgestellt worden sei.
Worte sind Zwerge, Basler Zeitung, 1.6. von Roland Stark

Eine Arbeitsgruppe des Departements wurde mit der Umsetzung geeigneter Massnahmen zur Verbesserung der Situation betraut. Unterstützung bietet das Projekt «hot» an. Auf Frühenglisch: help our teachers. Vordringlich sei «eine Reduktion der bei den Lehrerinnen und Lehrern anfallenden Lasten und eine Konzentration auf das Hauptgeschäft Unterricht».
Nach 100 Tagen im Amt zog auch der neue Erziehungsdirektor eine erste Bilanz. Die von ihm eingerichtete Hotline für gestresste Lehrkräfte wird offenbar rege benutzt. Die Pädagogen hätten Anregungen gegeben und ihr Herz ausgeschüttet. Das «Sorgenkind» Integration sei häufig ein Thema gewesen. Conradin Cramer will, so lesen wir hoch erfreut im Bericht der Basler Zeitung, die Verwaltung verschlanken, die Schulbürokratie abbauen und dafür sorgen, dass die Lehrer sich wieder vermehrt ihrer Kernaufgabe, dem Unterrichten, widmen könnten. (BaZ, 19. 5. 2017)

Was aber hat die eingangs erwähnte Studie mit den Aussagen des frisch gebackenen Erziehungsdirektors zu tun, werden sich die Leserinnen und Leser nun zu Recht fragen. Der Inhalt ist doch in beiden Fällen im Wesentlichen identisch und wird von keiner Seite ernsthaft bestritten.

Zwischen der alarmierenden Untersuchung von Professor Eberhard Ulich und der ernüchternden Bilanz von Conradin Cramer liegen 15 Jahre und vier Monate. Die zitierte Presseerklärung des Erziehungsdepartements stammt vom 30. 1. 2002 (01.00 Uhr). Als Absenderadresse wird noch der ehrwürdige Münsterplatz genannt.

Wir wollen für einmal glauben, dass den schönen Worten nun auch energische und an der Schulfront wirksame Taten folgen werden. Es darf ja wohl nicht wahr sein, dass jeder Erziehungs­direktor zu Beginn seiner Amtszeit ähnliche Versprechungen macht und dann die gleichen Probleme Jahrzehnte später ungerührt an seinen Nachfolger weiterschiebt.

Kontrolltermin Frühling 2033. In 16 Jahren. Gerne auch früher.


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