Bis jetzt gibt es im Thurgau kein
kantonales Konzept für die Begabtenförderung. Das soll jetzt ändern: Besonders
kluge Kinder sollen künftig mit speziellen Ateliers unterstützt werden. Dafür
gibt es sogar eine Dispens vom Regelunterricht.
Begabte dürfen die Schule schwänzen, Thurgauer Zeitung, 27.5. von Larissa Flammer
Junge, vielversprechende Sportler werden im Thurgau vom Kanton
gefördert. Sie können die «Swiss Volley Talent School» in Amriswil oder die
«Sporttagesschule für Eishockey und Einzelsportlerinnen und Einzelsportler» in
Frauenfeld besuchen. Auch junge Musik- und Tanztalente werden speziell
begleitet. «Die Begabtenförderungsprogramme Sport und Musik bieten besonders
begabten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, auf der Sekundarschulstufe
ihre schulische Ausbildung mit der Entwicklung im Sport oder in der Musik zu
verbinden», heisst es in einem kantonalen Rahmenkonzept.
Schulisch besonders begabte Schüler werden in jeder Schulgemeinde
separat gefördert. Kantonale Angebote gibt es bis jetzt nicht. Beat Brüllmann,
Chef des Amts für Volksschule, erklärt: «Im Sport steht eine Lobby dahinter.
Sportverbände wollen ihre Talente gezielt fördern. Kognitiv starke Schüler
haben keine solchen Fürsprecher.» Die Thurgauer Musikschulen hätten
nachgezogen. «Sport und Musik wird im Gegensatz zu kognitivem Talent auch in
der Freizeit gelebt. Da geht es um den Sieg und um Erfolg.»
Vorbereitung für «Schweizer Jugend
forscht»
Erst jetzt zieht der Kanton im Bereich schulische Förderung nach. Drei
Ämter – Volksschule, Mittel- und Hochschulen, Berufsbildung und Berufsberatung
– erarbeiten zurzeit zwei Angebote zur Begabungs- und Begabtenförderung:
Ateliers und Impulstage. Im September werden die Kursprogramme vorgestellt, im
Frühjahrssemester des nächsten Schuljahrs soll eine dreijährige Pilotphase
starten. Die Mittel- und Berufsfachschulen sind nun dabei, das Angebot
aufzubauen. Unterstützt werden sie dabei von der Koordinationsstelle Begabungs-
und Begabtenförderung.
Die Impulstage richten sich an die interessierten Schüler. Gemäss einem
kürzlich erschienenen Bericht des Kantons sollen an diesem Halbtag Begabungen
entdeckt und Lernfreude sowie Neugier entwickelt werden. «Die vorhandenen
Stärken stärken», wie es Brüllmann formuliert.
Besonders begabte und leistungsfähige Schüler können an einem Atelier
teilnehmen. Ein solches umfasst 24 bis 38 Lektionen pro Semester, die
Teilnehmer können dafür vom Regelunterricht dispensiert werden. In Ateliers
werden Jugendliche zusätzlich zum Lehrplan gefördert und auf Wettbewerbe wie
«Schweizer Jugend forscht», Wissenschaftsolympiaden oder Literaturfestivals
vorbereitet. Das Ziel lautet gemäss dem kantonalen Bericht: «Ansporn zu
herausragenden Leistungen.»
Immer mehr Nachhilfe für begabte
Schüler
Ausgewählt für die Teilnahme an Impulstagen oder Ateliers werden Schüler
von ihren Lehrern und der Koordinationsstelle Begabungs- und Begabtenförderung.
«Es sind nicht die Eltern, die ihre Kinder dafür anmelden», bestätigt Beat
Brüllmann. Diese kümmern sich heute mehr denn je darum, dass ihr Nachwuchs
gefördert wird und Erfolg hat, wie die Thurgauer Nachhilfelehrerin Charlotte
Bertet in einem Interview mit der «Thurgauer Zeitung» sagte. Sie helfe mehr
guten Schülern, noch besser zu werden, als schlechten Schülern, den Anschluss
nicht zu verpassen. Die neuen Angebote des Kantons haben gemäss Brüllmann
gewissermassen den Anspruch, Begabte selber zu fördern und zu verhindern, dass
sie auf private Angebote ausweichen müssen.
Die Maturitätsquote spielte beim Entscheid für die Fördermassnahmen
keine Rolle. Trotzdem hofft der Chef des Amts für Volksschule, dass vermehrt
Schüler an nationalen oder gar internationalen Wettbewerben teilnehmen. «Es ist
sicher nicht falsch, Leistung zum Thema zu machen und dafür zu sorgen, dass sie
nicht per se negativ konnotiert ist.» Im Thurgau sei man diesbezüglich zu
bescheiden. «Ich habe an Kantonsschulen viele hervorragende Maturaarbeiten
gesehen und die Schüler motiviert, diese für Wettbewerbe einzureichen. Viele
wollten dann aber nicht und glaubten, ihre Arbeit sei doch zu schlecht dafür.»
Durch die organisierte Förderung von Fähigkeiten soll diese Hemmschwelle
gesenkt werden. Ebenfalls ein Mittel für die Förderung begabter Schüler wäre
die Wiedereinführung von Untergymnasien im Thurgau. «Doch das ist politisch ein
schwieriges Thema und wäre im Moment wohl nicht mehrheitsfähig», sagt
Brüllmann. Der Kanton arbeite deshalb mit den ihm gegebenen Möglichkeiten. Nach
der Pilotphase werden die Impulstage und Ateliers evaluiert und je nach
Ergebnis weitergeführt.
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