29. Mai 2017

Steiniger Weg für Bündner Fremdspracheninitiative

Die Bünd­ner kön­nen sich dank des Bun­des­ge­richts da­zu äus­sern, ob es Sinn macht, schon in der Pri­mar­schu­le zwei Fremd­spra­chen zu ler­nen.
Steiniger Weg für die Bündner Fremdspracheninitiative, Südostschweiz, 29.5. von 
Jöri Luzi, Christian Aliesch, Urs Kalberer, Andy Kollegger und Jürg Michel


Die Fremdspracheninitiative verlangt, dass in Bündner Primarschulen nur noch eine Fremdsprache obligatorisch unterrichtet wird. In deutschsprachigen Regionen soll es Englisch sein, in romanisch- und italienischsprachigen Regionen Deutsch. Darüber sollte eine Diskussion im Volk stattfinden, denn die heutige Regelung mit zwei promotionsrelevanten Fremdsprachen in der Primarschule wurde unverfroren am Volk vorbei eingeführt.

Die Initianten hatten die Rechnung ohne die Politik gemacht. Diese bestellte einen hochdekorierten ausserkantonalen Professor, der die Gründe für die Ungültigkeit feststellte. Über ein Dutzend Verletzungen gegen übergeordnetes Recht wurden ins Feld geführt. Die Initiative wurde vom Grossen Rat mit satten 82:30 Stimmen für ungültig erklärt. Befürchtet wurde, dass eine allfällige Umsetzung den Sprachenfrieden in Graubünden störe, zu ungleichen Voraussetzungen für die Schüler führe, sehr viel teurer zu stehen komme und eigentlich gar nicht umgesetzt werden könne. Am deutlichsten sagte es Regierungsrat Martin Jäger am Tag der Urteilsverkündung in Lausanne: «Ich bin heute nicht sehr glücklich, weil ich weiss, dass das, was auf uns zukommt, eine Belastung gibt zwischen den Sprachregionen.» Klarer hätte nicht artikuliert werden können, dass die Initiative unbequem ist, im Volk durchaus Anklang finden könnte und darum wohl am besten schon von Anfang an abgewürgt werden sollte.

Weder Verwaltungsgericht noch Bundesgericht folgten der Argumentation des Grossen Rats und der Regierung. Die Initiative verstösst in keinem Punkt gegen übergeordnetes Recht. Die schriftliche Begründung des Bundesgerichtsurteils steht noch aus. Die Initianten wollen, dass sich die Bündner dazu äussern können, ob es Sinn macht, in der Primarschule obligatorisch zwei Fremdsprachen zu lernen, ob dies nicht eine Überforderung der durchschnittlichen Schüler ist und ob der grosse Aufwand, der dahintersteht, gerechtfertigt ist. Wir denken, dass es Sinn macht, zuerst einmal die Muttersprache richtig, dann in der Primarschule eine Fremdsprache, die den Kindern Freude macht, und in der Oberstufe eine weitere Fremdsprache zu lernen. Letztendlich erreicht die Initiative Folgendes: Die Schüler werden die obligatorische Volksschule mit den gleichen (sehr wahrscheinlich sogar besseren Sprachkenntnissen) verlassen als mit dem heutigen Modell. Dies wird aber gegenüber heute in anderen Schritten erreicht.

Die Bündner Politik weiss genau, dass das jetzige Modell schweizweit ein Unikat ohne Anschlusslösungen ist, keine Harmonisierung mit anderen Kantonen besteht, die Mobilität junger Familien stark eingeschränkt wird und unter den eigenen Sprachregionen schon heute krasse Ungleichheiten bestehen.

Oft wird dem Bundesgericht in Lausanne Weltfremdheit vorgeworfen. Hier hat das höchste eidgenössische Gericht das Gegenteil bewiesen und wie das kantonale Verwaltungsgericht gezeigt, dass Vernunft vor Politik kommt. Gut so. Vier Jahre nach Lancierung der Initiative dürfen – man muss wohl eher annehmen, müssen – Regierung und Grosser Rat sich mit dem Inhalt der Initiative auseinandersetzen. Die Chance, die Vernunft walten zu lassen, bleibt bestehen. Ob sie unsere Behörden nutzen? Unsere Kinder verdienen diese Chance.

Jöri Luzi, Klosters; Christian Aliesch, Chur; Urs Kalberer, Malans; Andy Kollegger, Chur; und Jürg Michel, Grüsch, sind Initianten der Bündner Fremdspracheninitiative.

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