5. Mai 2017

Pichard und Ankli kreuzen die Klingen

Am 21. Mai wird im Kanton Solothurn über die Volksinitiative «Ja zu einer guten Volksschule ohne Lehrplan 21» abgestimmt. Der Regierungsrat entschied vor zwei Jahren, den Lehrplan 21 auf das Schuljahr 2018/2019 hin einzuführen. Wie fast in der ganzen Deutschschweiz formierte sich auch im Kanton Solothurn Widerstand gegen den selbst bei Lehrpersonen umstrittenen Lehrplan 21.
Kritiker warnen vor einem Paradigmenwechsel, Basler Zeitung, 5.5. von Tobias Gfeller


Einer der führenden Köpfe des schweizweiten Widerstandes ist der Bieler Lehrer Alain Pichard, der sich selbst politisch als links-grün bezeichnet und Mitglied der Grünliberalen Partei (GLP) ist. Er empfinde den Lehrplan 21 als eine Einmischung in die Schulen, an denen mit Kompetenz­stufen Vergleichbarkeit und eine Ökonomisierung stattfinden sollen. «Das ist ein Paradigmenwechsel. Die Volksschule wird mit dem Lehrplan 21 zur Ausbildung. Wir machen an den Schulen aber Bildung», ist er überzeugt.

Methodenfreiheit für die Lehrer?
Bildungsdirektor Remo Ankli (FDP) widersprach an der Podiumsdiskussion im Neuen Theater am Bahnhof in Dornach Alain Pichard vehement. «Der Lehrplan 21 ist kein Paradigmen- oder Systemwechsel», sagte er. «Er ist eine Weiterentwicklung des Bestehenden.» Und das Bestehende sei der 1992 eingeführte und seit damals stets weiter­entwickelte aktuelle Lehrplan.

«Natürlich ist der neue Lehrplan kompetenzorientiert aufgebaut. Aber er ist nicht der grosse Schritt, wie er teilweise dargestellt wird», sagte Ankli weiter. Zudem werde die Methodenfreiheit der Lehrerschaft gewahrt.

Alain Pichard sieht die Freiheit der Lehrer, wie sie was unterrichten wollen, in Gefahr. Der Lehrplan 21 schreibe zu viele Belange des Unterrichts vor. «Die Schule wird so zum totalitären System!», hielt er fest. Gerade über die neuen Lehrmittel werde die Freiheit der Lehrpersonen eingeschränkt.

Regierungsrat Remo Ankli warnt vor einer Annahme der Initiative gegen die Einführung des Lehrplans 21. «Wir würden damit zu einer Insel in der Nordwestschweiz und der ganzen Schweiz», sagte er. Dem stimmte der Dornacher Kantonsrat Daniel Urech (Grüne) aus dem Plenum bei. «Das ist gerade durch die Lage des Kantons Solothurn und dessen Verbundenheit mit anderen Kantonen gefährlich.»

Bei einem Ja müsse entweder der bestehende Lehrplan weiterentwickelt oder ein ganz neuer Lehrplan erarbeitet werden. «Auch das würde zu vehementen politischen Diskussionen führen», ist der Bildungsdirektor überzeugt.

Kompetenzstufen als Anreize
Das Publikum im Neuen Theater am Bahnhof debattierte danach selber intensiv mit den beiden Exponenten mit. Die Meinungen waren dabei eher auf der Seite des Lehrplankritikers. «Die Bildung wird zu sehr politisiert. Das Vertrauen sollte ganz den Lehrern gehören», meinte etwa Pia Amacher, ihres Zeichens Präsidentin der Elternlobby Schweiz.


Eine andere Teilnehmerin des Podiums kennt den Lehrplan 21 von ihren Grosskindern, die im Kanton Zürich zur Schule gehen. Gerade die Kompetenzstufen, die ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans 21 sind, empfinde sie als positiv. «Sie sind ein Anreiz für die Kinder. Auch Schwächere werden demnach gefördert.» Alain Pichard stört sich aber an diesem «Primat des Könnens», wie er die Kompetenzstufen selber bezeichnet. 

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