«Das
spielerische Lernen ist gescheitert», schmetterte zum Schluss der Debatte ein
Kantonsrat in den Saal zu Frauenfeld. Er meinte das Frühfranzösische in der
Primarschule und rief dazu auf, das Erlernen dieser Landessprache im Thurgau
auf die Sekundarstufe zu verschieben. Die Mehrheit des Grossen Rats teilte
seine Meinung. Daran dürfte sich auch in der erst im Juni anstehenden Schlussabstimmung
über die Änderung des Thurgauer Volksschulgesetzes nichts ändern.
Voraussichtlich aber wird der Grosse Rat den definitiven Entscheid, ob der
Thurgau aus dem Frühfranzösischen aussteigt, ans Volk delegieren. Dieses hatte
noch 2006, wenn auch äusserst knapp, für zwei Fremdsprachen in der Primarschule
gestimmt.
Französisch darf kein Spaltpilz sein, NZZ, 4.5. Kommentar von Jörg Krummenacher
Der Entscheid
von Frauenfeld befeuert die Diskussion um den Sprachenfrieden in der Schweiz.
Er könnte auch Signalwirkung für die anstehenden Abstimmungen im Kanton Zürich
am 21. Mai und später in Luzern und Baselland haben. Dabei stehen zwei Fragen
im Vordergrund: Wie lernen Deutschschweizer Volksschüler die Landessprache
Französisch am sinnvollsten, und welche Folgen hat dies für den Zusammenhalt
der Schweiz?
Zweifellos
steht das Französische unter Druck, bedrängt vom Englischen, unterminiert durch
keineswegs optimale Lehrmittel und -methoden in der Primarschule. Der
Lernerfolg ist (zu) gering, starke Schüler sind unterfordert, schwache
überfordert – ein Dilemma, das sich mit Leistungsklassen auf der Sekundarstufe,
aber auch mit Halbklassen in der Primarschule lösen liesse. Im Thurgauer
Parlament wurde seitens der vorbereitenden Kommission denn auch betont, dass es
nicht darum gehe, den Stellenwert des Französischen zu mindern, sondern zum Schluss
der Volksschule möglichst gute Kompetenzen «in dieser schönen und
identitätstiftenden Sprache» zu erreichen.
Wie dies
geschieht, ist sekundär – wäre da nicht die von der Verfassung vorgegebene
Verpflichtung zur Harmonisierung des Bildungswesens. 2004 einigten sich die
Erziehungsdirektoren auf den seither gültigen Sprachenkompromiss. Allerdings
wird, unabhängig vom Thurgau, heute nur in 22 von 26 Kantonen danach
unterrichtet, und auch dem Harmos-Konkordat im Bildungswesen sind nur 15 von 26
Kantonen beigetreten. Die Harmonisierung ist eine relative.
Um den
Sprachenkompromiss allenfalls durchzusetzen, hält Bildungsminister Alain Berset
die Revision des Sprachengesetzes in der Hinterhand. Sollte er indes zum
bildungspolitischen Zweihänder greifen, wäre dies kontraproduktiv. Der Bund
riskierte damit eine Niederlage in einer allfälligen Volksabstimmung und ein
Aufbrechen des Röstigrabens. Dem Zusammenhalt des Landes wäre damit ebensowenig
gedient wie der Lust der Jugendlichen, Französisch zu lernen und die Romandie
idealerweise während eines Sprachaufenthalts kennenzulernen. Um das
(Früh-)Französische nicht zum Spaltpilz zu machen, ist ein pragmatisches
Vorgehen angesagt. Die Terminierung des Sprachenunterrichts ist keine Frage des
nationalen Zusammenhalts. Doch sie setzt Signale: Weshalb nicht mit Französisch
statt Englisch in der Primarschule?
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